35. Schrecklichkeiten der Linken Szene

 Disclaimer: Wenn in den Texten von Breaking the Spell von linker Szene, Linken oder links gesprochen wird ist damit nicht jede einzelne Person und Gruppe in dieser Szene gemeint. Es geht vielmehr um die Gesamtheit der Dynamiken und Strukturen, die sich in der Regel gegenseitig verstärken und aus denen ein individueller Ausbruch fast unmöglich ist. Ebensowenig sind mit linker Szene oder links alle Menschen mit, zumindest nach ihrer Definition, linken Einstellungen gemeint. Außerhalb der linke Szene gibt es viele Menschen mit Einstellungen, welche ein grundsätzliche Streben nach gleichwertigen Beziehungen als Hintergrund haben. Nach eigener Erfahrung finden diese sich oft gerade nicht in der linken Szene oder linken Parteien wieder und werden oft von diesen abgeschreckt.

35. Schrecklichkeiten der Linken Szene

Die Linke Szene ist eigentlich keine Abgrund. Abgründe sind nicht einsehbar, aber an sich nicht voller Schrecken. An manchen Orten der Welt wie einigen Wüsten sind Abgründe mit die lebendigsten Orte, weil es in ihnen oft Schatten und Wasser gibt.
Die linke Szene ist Teilstück einer Depression. Diese Depression ist unsere Gesellschaft und wie jede Depression spaltet sie uns von einem großteils unseres Potentials ab, in diesem Fall von unserem allgemeinen Potential als Menschen. Alles vor allem vom Positiven, welches innerhalb dieser Gesellschaft nicht möglich, unvorstellbar, undenkbar und am wichtigsten unfühlbar ist. Das Wunderbare des Mensch-Seins, des Lebewesen-Seins und des Universums. Viele der nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen, Mythen und Logiken sind nicht auf die Linke beschränkt, teilweise dort aber zentraler als in der Gesamtgesellschaft. Sie alle sind im kleineren und größeren Ausmaß schädlich und erhalten den Status Quo. Weil die Linke Szene auch aktiv anarchistische Projekte angreift und kontrolliert, sind sie einer der Ursachen, die das Entstehen eine kämpferische anarchistische Bewegung, im vom Deutschland beanspruchten Gebiet, verhindern.

Die Schrecklichkeiten

1. Der allmächtige Wunscherfüller – Glaube an den Staat

Nichts ist grundlegender für die Linke Szene als der Glaube an den Staat und Forderungen an ihn zu stellen. Jede weitergehende Forderung, sogar jedes Einbringen in die politische Öffentlichkeit macht nur Sinn, wenn der Staat als Autorität zum „Lösen“ von Problemen angesehen wird.
Immer wenn der Staat dafür angerufen wird, wird er gestärkt. Schließlich kann er Probleme
nur lösen, wenn er die Macht hat die Gesellschaft entsprechend umzugestalten. Forderungen an den Staat zu stellen führt somit zur Ausweitung seiner Macht und damit seiner Unterdrückung.
Die einzige teilweise Ausnahme ist, wenn der Staat gezwungen wird formal Macht abzugeben. Dies erfordert aber eine direkte Bedrohung sein Machtbasis, etwas wozu die deutsche Linke nicht (mehr) in Lage ist und was die Linke Szene auch fast nie fordert. Und wenn der Staat solchen Forderungen nach Machtabgabe nachkommt, wird die Kontrolle entweder auf andere Institutionen verlagert oder durch andere Mechanismen wiederhergestellt. Eine gutes Beispiel ist die Legalisierung queerer Sexualität auf die eine Integration großer Teile queerer Bewegungen in den kapitalistischen Markt und Entwicklung neuer Kontrollwege z.B. durch die staatliche Förderung queerer Einrichtungen folgte.

2. „Der dessen Namen nicht genannt werden darf…“ – Das Tabu den Staat als Unterdrücker zu benennen

Habt ihr euch jemals gefragt, warum in linken Texten vor allem der Kapitalismus, manchmal auch das Patriarchat als Gegner*innen benannt wird, aber fast nie im gleichen M der Staat auftaucht?
Das liegt daran, dass es nach dem „Scheitern“ des Staatssozialismus
(spätestens endgültig klar ab 1989/1991), das von Anarchist*innen bereits im 19. Jahrhundert vorhergesagt wurde, die Sinnlosigkeit und Gefährlichkeit der staatlichen Machtübernahme offensichtlich ist.
Doch linke Politik
basiert weiterhin auf den gleichen Grundnahmen – uralten falschen marxistischen Grundnahmen. Den Staat als Feind zu benennen hieße selbst über die eigenen Fehler zu reflektieren und vor allem anzuerkennen, dass Anarchist*innen richtig lagen. Es wäre eine absolute Abkehr von den eigenen theoretischen Grundlagen und würde die Aufarbeitung von über 150 Jahren marxistischer/sozialdemokratischer Unterdrückung gegenüber Anarchist*innen und anderen Anti-Autoritären erfordern.
Aus dem gleichen Grund wird auch oft von der Ablehnung des „bürgerlichen Staates“ und nicht einfach nur des Staates gesprochen. Es soll einen Hintertür offengelassen werden, falls mensch doch einen Staat anerkennen möchte. Wieder geht es um das Vermeiden eigener grundsätzlicher Veränderung und Selbstkritik.
Dazu kommt ein vielleicht noch wichtiger psychologische Effekt der unsere gesamte Gesellschaft betrifft: Der Staat üb
t extreme Kontrolle, Unterdrückung und Gewalt gegen uns aus. Dagegen Widerstand zu leisten bedeutet in der Regel noch mehr abzubekommen. Um nicht in diese Situation zu kommen und unseren Schmerz und unsere Machtlosigkeit zu verdrängen, reden wir uns den Staat und sein Handeln schön, tun so als ob er gut und notwendig sei. Das nennt mensch „Identifikation mit dem Aggressor“: Menschen fangen ans sich mit den eigenen Unterdrücker*innen zu identifizieren. Damit dies aufrechterhalten werden kann bedarf es dem Tabu die Unterdrücker*innen als solche zu benennen.

3. „Gemeinsam gegen Vorurteile!“ – Idealistische Weltsicht

Die Vermeidung einer grundsätzlichen Ablehnung des Staates und damit verbunden auch Analyse wie Herrschaft, Autorität und Macht an sich funktionieren führt unweigerlich zu einer Weltsicht, welche nicht die realen Macht- und Gesellschaftsverhältnisse bzw. die gesamte Kultur und Lebensweise von Menschen, sondern deren individuelle Überzeugung in den Fokus stellt.
Somit wird Alles auf Einstellungen oder Handeln von Einzelnen reduziert. Es geht dann darum nur Überzeugungen zu verändern nicht eine gesamte Lebensweise. Hiermit ist die Vorstellung verbunden, wenn nur die Einstellungen bzw. der Diskurs (in diesem Fall ein abgehobenes akademische Wort für gesellschaftliche Diskussion/Haltung) beeinflusst würde, würde sich die Gesellschaft ändern – zugespitzt reines Reden und Schreiben gegen Unterdrückung.
Dies ist das Gegenstück des ebenso absurden „historischen Materialismus“ dem Glauben, dass alleine die materiellen Bedingungen z.B. die Produktionsweise bestimmen wie sich Geschichte entwickelt und was Menschen tun, nicht auch deren Weltsicht, Fühlen und Denken.
Menschen funktionieren aber nicht nur rein rational durch Denken und dieses Denken ist unabhängig von ihrer Lebenssituation. Genauso wenig lässt sich alleine durch Veränderung formaler Eigentums/Produktionsverhältnisse eine andere Gesellschaft schaffen. Anarchist*innen erkennen das und deshalb ist direkte Aktionen unser zentrales Mittel. Diese spaltet nicht in Weltsicht und materielle Grundlage, sondern versucht beides gleichzeitig zu verändern.

4. „Wir brauchen Gerechtigkeit und Aufklärung!“ – Glaube an moralische, individuelle Schuld und Verlangen nach Strafe

Verbunden mit dem idealistischen, moralischen Menschenbild ist die Zuschreibung individueller Schuld für menschliches Verhalten. Klar, Menschen haben Verantwortung für das was sie tun und eine gewisse Entscheidungsfreiheit, aber diese ist nicht absolut: Die Gesellschafts- und Machtverhältnisse, unsere Geschichte, unserer Aufwachsen/Erziehung, unsere Geschichte und unser Umfeld prägen uns, setzen Grenzen unserer Handlungsmöglichkeiten, Denk- und Fühlweisen.
Statt diese Strukturen und Rahmenbedingungen, sowie Beziehungen zwischen einander zu verändern (und sich anzusehen, was jede*r dafür tun und wie mensch dafür Verantwortung übernehmen kann) ist in der linken Szene der zentrale Kern des Handelns Einzelnen Schuld zu zuschreiben.
Nirgendwo zeigt sich das besser als bei der Reaktion auf staatliche Gewalt, vor allem durch die Polizei. Wenn die Polizei ihren Job macht, dass heißt z.B. nicht-weiße, nicht-kartoffelige Jugendliche ermordet, wird nach Aufklärung der einzelnen „Tat“ und Strafe für die „beteiligten Polizist*innen“, sowie manchmal „Konsequenzen“ für den*die entsprechende*n Innenminister*in verlangt.
Dahinter steht die Denkweise rassistisch-koloniale Gewalt sei ein Fehler im System und das Handeln der Cops komme aus falschen, (persönlichen) Einstellungen. Die Vorstellung schützt die hinter Unterdrückung stehenden Institutionen, weil diese nicht als Feind*innen verstanden analysiert und bekämpft werden, sondern versucht wird diese von ihren individuellen Mitgliedern und falschen Haltungen oft sogenannten „Vorurteilen“ zu reinigen. Entsprechend braucht es dann auch Mittel den*die Einzelne*n zu bestrafen und umzuerziehen.

5. „Lange leben die antifaschistischen Wasserwerfer!“ – Verteidigung von Polizei, Gerichten und Gefängnissen

Das wichtigste dieser Mittel zur Umerziehung und Bestrafung war für Linke schon immer der Staat – die Polizei, Gerichte, Knäste und Lager. Geschichtlich kommt einem*einer, wenn mensch außerhalb des linken Verdrängungskultes¹ lebt sofort das Gulagssystem der Sowjetunion in den Kopf. Aber auch vermeintlich menschenfreundlichere linke Strömungen, wie die deutsche Sozialdemokratie haben ebenfalls massiv den staatlichen Straf- und Gewaltapparat genutzt. Auch wenn „liberale Demokratien“ gegenüber der eigenen Bevölkerung etwas weniger repressiv sein konnten, weil ihre Staaten durch ihre koloniale Vormachtstellung Gewalt nach aen verlagern und ein paar Privilegien gewähren konnten oder die Bevölkerung durch die vorangegangen Herrscher*innen bereits so gebrochen war, dass sie einfacher erziehbar/gehorsam machbar war.
Heute fordert
die linke Szene wie schon erwähnt „Aufklärung und Gerechtigkeit“ manchmal ganz offen vom Staat, sehr oft versteckt. Der Adressat bleibt aber klar.
Wer soll sonst z.B. „Gerechtigkeit“ gegenüber Polizist*innen üben? Wäre es wer anderes als der Staat hieße dies automatisch sein Gewaltmonopol brechen zu müssen. So was strebt die Linke Szene nicht an, was sich allein daran zeigt, dass sie nahezu alle Demos „gegen Polizeigewalt“ bei den Cops anmeldet. Mit jeder Einforderung von staatlicher Bestrafung wird der Staat ideologisch gestärkt und dessen Strafapparat bekommt mehr Rückhalt in der Bevölkerung für seine primäre Funktion: Unterdrückung – einschließlich der Bekämpfung anti-autoritärer Bewegungen.
Mit seiner Repression
hält er dann alle Bewegungen klein, welche z.B. Macht der Polizei schwächen könnten. Je schwächer diese Bewegungen sind desto alternativloser erscheint anschließend der Ruf nach Strafe durch Gerichte und Knäste. Ein autoritärer Kreislauf, der sich immer weiter selbst verstärkt und den die Linke Szene treu mit spielt.

¹ Dass so viele Linke, insbesondere Linksradikale das gewaltige Unterdrückungssystem der Sowjetunion leugnen oder irgendwie rechtfertigen, zeigt zusätzlich wie ähnlich ihre Ideologie anderen menschenfeindlichen Weltbildern ist. Auch der Pakt zwischen Sowjetunion und Nazideutschland zur Aufteilung Osteuropas und die Deportation deutschen Sozialist*innen durch die sowjetische Regierung nach Deutschland ist weiterhin ein Tabu. Stattdessen wird die Rote Armee als antifaschistische Befreier*in gefeiert.

6. Sozialarbeiter*innenisierung von Bewegungen

Sozialarbeiter*innen statt Polizei“ – wie oft muss mensch sich dies aus der linken Szene anhören?! Was sollen Sozialarbeiter*innen für unterdrückte Gemeinschaften z.B. in einem armen, von der Polizei massiv kontrollierten Stadtteil tun? Ihnen erklären wie sie sich gegen Staat, Kapital und Kolonialismus organisieren? Wie sie Staat und Unternehmen enteignen, um an „Ressourcen“ zu kommen? Wie sie den Aufstand gegen die Polizei suchen können? Glaubt irgendwer ernsthaft jemensch, der*die direkt oder indirekt (über Vereine/NGOS) einen Auftrag/Finanzierung vom Staat hat und diesem rechenschaftspflichtig ist, würde trotz der ganzen Überwachung und Nachweispflicht über die Verwendung seiner*ihrer Gelder den eigenen Auftraggeber verraten?
Nein, Sozialarbeit ist im aller besten Einzelfall Schadenreduzierung (Harm Reduction) z.B. wenn Menschen geholfen wird Drogen auf weniger schädliche Weise zu konsumieren oder besser auf Teilaspekte ihrer Gesundheit zu achten.
In der Regel ist Soziale Arbeit Überwachung, Kontrolle und Erziehung für den Staat und den kapitalistischen Markt. Insbesondere wenn Menschen in sogenannten „schwierigen Lebenslagen“ umfangreich betreutet werden. Die Leute sollen dabei „stabilisiert“ werden, das heißt sie ins bürgerliche Leben wieder oder neu einzugliedern. Es wird ihnen gezeigt wie sie richtige Anträge stellen, Staatsanwält*innen und Gerichte um „Milde“ gegenüber ihren „Verfehlungen“ bitten können. Und ja die Wohnung sollte auch ordentlich sein, kann mensch ja nicht behandeln wie wir als staatliche, kapitalistische Zivilisation die Mitwelt! Geregelte Tagesstrukturen und Lohnarbeit schaden selbstverständlich auch nicht…
Es ist völlig akzeptabel Menschen zu zeigen wie sie besser in dieser Gesellschaft überleben können, aber wenn das nicht beinhaltet vorzuleben und zu argumentieren wie wir uns gemeinsam gegen sie organisieren und gemeinschaftlich Widerstand leisten können, ist es einfach Erziehung zur Anpassung an diese. Daran zeigt sich erneut die Vorstellung vereinzelter Verantwortung.
Genau die meinen Linke dann auch meist, wenn sie von „Empowerment“ sprechen. Der*die Einzelne soll gestärkt werden in den Machtkämpfen dieser Gesellschaft zu bestehen und vielleicht auch zusammen mit Anderen die Politik, um die Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen anzuflehen („Interessenvertretung“).

7. „Empowerment“/„Emanzipation“ – Verehrung der Vereinzelung

Das, was in der deutschen Linken als „Empowerment“ oder „Emanzipation“ verstanden wird, ist im Prinzip der Versuch aus Menschen und einzelnen Gemeinschaften patriarchale, staatstreue Einzelkämpfer*innen zu machen, welche wie ein*e Actionheld*in mit allem alleine fertig werden – bereit sind sich aufzuopfern, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Gleichzeitig darf dabei selbstverständlich nie die politische Arena des Staats verlassen werden.
Aber woher bekommt der*die Actionheld*n seine*ihre Waffen? Munition? Kleidung? Essen zum Muskelaufbau?
Stellen wir uns vor es ginge nicht um eine*n Actionheld*in, sondern um eine*n Aktivist*in? Woher kommt das Papier für die Flyer? Das Metall für den Laptop? Woher stammt das Essen für die Küche für Alle?²                                       
Die Vorstellung individuellen Empowerments verdeckt also die Abhängigkeiten und Beziehungen in denen wir stehen. Das Problem sind aber genau diese Beziehungen, die Zwang beinhalten und hierarchisch sind. Deshalb wird an der grundlegenden Situation unterdrückter Gemeinschaften und Gruppen nichts verändert, wenn nur Einzelne in ihnen oder einzelne Gemeinschaften gestärkt werden. Vielmehr werden sie in Empowerte und Nicht-Empowerte gespalten und die Herrschaftsstrukturen noch verfestigt. Außerdem wird der Staat keine Werbung für seine Enteignung machen, wenn er „Empowerment“ finanziert: „Löst eure Probleme selbst, aber wehe ihr desertiert dabei aus der bestehenden Ordnung“.
„Empowerment“ bedeutet also nie Gemeinschaften so zu stärken so dass in der Lage sind selbstbestimmt zu existieren und ihre Unterordnung unter Staaten beenden können.

² Die Küche für Alle bezeichnet, wenn (zubereitetes) Essen kostenlos oder gegen freiwillige Spende angeboten wird.

8. Die Gehirnmaschine – Fokus auf Ego und Vereinzelung

Die Vorstellung des Empowerment kann nur Funktionieren, wenn die Bedürfnisse einzelner Menschen über gegenseitige Beziehungen gestellt werden. Daher versteht die linke Selbstverwirklichung und unser Selbst als etwas von der restlichen Welt Abgespaltenes.
Dazu passt die vorherrschenden Meinung unser Gesellschaft nach der Menschen biologische Maschinen seien, die Linke Szene teilt diesen Glauben. Es ist die Vorstellung wir seien keine Ausdruck des Universums und einer größeren Geschichte und mit dem Ganzen verbunden, sondern ein Stück kleines Materie (Gehirn), das durch Zufall etwas erleben kann/Bewusstsein hat – fühlen, denken, wahrnehmen kann. Weil nach diesem Weltbild eben unser eigenes Erleben und damit auch unsere Gefühle keine Auswirkungen haben, sondern nur materielle Prozesse – ist das linke Weltbild zutiefst nihilistisch.
Nihilismus ist die Vorstellung das nichts Bedeutung hat. Das ist vollkommen absurd, denn dann müsste uns der Zufall bestrafen wollen? Weil warum haben wir sonst ein Gefühl von Bedeutung? Schließlich kann es nach diesem Weltbild (!) nicht durch die Evolution geschaffen wurden sein, die selektiert nur nach Eigenschaften, welche Auswirkungen haben.
Die
Folgen dieses Weltbildes sind aber leider nicht so absurd: Das Gefühl von Maschine- und Bedeutungslos-Sein zerstört die innerliche Verbindung mit der Mitwelt und ist einer der Hauptverursacher*innen von Depressionen. Um mit diesen unnötigen, schrecklichen Gefühl umzugehen wird dann oft Verdrängung in persönlichen Konsum von Substanzen, Beziehungen, Erlebnissen oder „Szenefame“ und Rausch gesucht. Da es dabei immer um das Stillen der eigenen Leere und Einsamkeit geht und sich von Grund auf mit dem Rest der Welt keine bedeutsamen Beziehung eingehen lässt (mit dem Tod ist nach diesen Weltbild eh alles vorbei), kann es hierbei immer nur um den*die Einzelne*n gehen. Die Welt ist also bedeutungslos und wir müssen das verdrängen indem wir Freude und Spaß haben – glücklich sind für immer – so sieht das linke „Gute Leben für Alle“ aus.

9. „Bloß kein Risiko eingehen…“ – Verdrängungen der eigenen Sterblichkeit

Wer die Stärke des*der Einzelnen verehrt und dessen*deren vereinzeltes Glück als Fokus hat, muss verdrängen wir schwach und verletzlich und vor allem endlich wir zumindest in unserer menschlichen Form (was nach dem Sterben kommt weiß niemensch genau) sind. Daher ist die linke Szene darauf angewiesen die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit zu verdrängen.
Was passiert, wenn dies nicht mehr möglich ist, hat die Corona-Pandemie gezeigt, als ein Großteil der Linken offen autoritäre staatliche Reaktionen unterstützte und oft noch weitergehende einfordert: Ob „My Body, my Choice“ oder „No one is illegal“, die Pandemie entlarvte diese Parolen als leer und verlogen. An die Stelle von körperlicher Selbstbestimmung trat die Forderung nach Impfpflicht und das Schämen von Menschen, die sich nicht impfen ließen. Die Kontrolle von Ausweisen schuf eine vermeintliche Sicherheit davor infiziert zu werden und damit zu sterben, schließlich ist nach linker Szene-Vorstellung der Tod das Schlimmste und muss mit allen Mittel vermieden werden. Nur lässt er sich nicht für immer vermeiden, wir sterben alle. Es ist also unvermeidbar, dass wer den Tod verdrängt, einen Großteil der Realität verdrängt.
Dazu passt auch #Stayathome, die vermeintliche solidarische Antwort vieler Linker. Dass ein großer Teil der Gesellschaft, vor allem der in schlecht bezahlten, aber für die moderne zivilisierte Lebensweise notwendigen Jobs wie Lieferung, Ernte, Pflege oder Schlachterei arbeitete, nicht zu Hause bleiben konnte, wurde einfach beiseite gelassen. Es wäre solidarisch gewesen das Risiko zu teilen, statt sich in die eigene kleine Burg mit dem Namen Wohnung zurückzuziehen. Aber wenn mensch tot ist, kann mensch ja nicht mehr glücklich sein! Hier zeigt sich wieder, dass wenn unsere Egos und unser vereinzeltes Glück unser Handeln bestimmen wir uns auf eine immer totalitärer Welt zu bewegen.
Wenn die Risiken zu sterben zukünftig noch größer werden als bei der Pandemie, wenn die Klimatatstrophe uns auch im vom deutschen Staat beanspruchten Gebiet richtig trifft, dann wir die linke Reaktion voraussichtlich noch schlimmer sein: Wer Ausweiskontrollen und Kontaktverbote einfordert bei einer Viruserkrankung die zwar gefährlich ist, aber „nur“ 1-2% der ungeimpften Bevölkerung tötet, was wird sie*er verlangen, wenn es Hungernöte gibt? Wenn es nicht mehr möglich ist den eigenen Konsum fortzusetzen, sich abzulenken? Wozu wird die deutsche Linke bereit sein, um ihre bequeme Verdrängung aufrechtzuerhalten/wiederherzustellen?

10. Nihilistischer Erlösungsglaube und suchtvoller Hedonismus

Nihilismus und der Glaube an Erlösung scheinen auf den ersten Blick Widersprüche zu sein. Doch braucht es gerade um die eigenen Hoffnungen auf einen erlösenden Endpunkt zu fokussieren das Gefühl das Jetzt sei bedeutungslos. Gleichzeitig löst das Jetzt aufgrund der Gesellschaft, in der wir leben, massive Schmerzen aus. Daraus ist in der linken Szene eine vorherrschende Kombination aus einem nihilistischen Erlösungsglauben und einen suchtvollen Hedonismus entstanden. Es wird an eine „Welt ohne Krisen glaubt“, die durch die vermeintliche Revolution oder auch manchmal Reform kommen soll.
In der Regel gibt es aber keinerlei konkreten Überlegen dazu wie die Revolution stattfinden soll und keine Vorbereitung auf sie. Daher ist Revolution auch nichts was im eigenen Alltag eine Rolle spielt, sondern es wird ein Leben gelebt, das mit ihr eigentlich unvereinbar ist, weil
fast alles darüber dem Staat bekannt gemacht wird und sich im Rahmen des von ihm zumindest Tolerierten bewegt.
Revolution ist dann kein andauernder Prozess mehr – keine Beziehung zu
r Welt im Hier und Jetzt, sondern die Entsprechung zum christlichen Paradies, in das uns eine äußere Macht/Autoritäthier Gott – bringt (wenn wir sie anbeten) und so unseren Leben und Handeln durch dieses Endziel Bedeutung verleiht. In der linken Szene ist dieser Gott, oft unausgesprochen und unbewusst, der Staat – an den Forderungen gestellt werden.
Als eine Abwehrreaktion darauf haben einige Anarchist*innen begonnen ihr Handeln fast ausschließlich am Hier und Jetzt auszurichten. Weil sie aber leider selbst der Lüge unser Gesellschaft verfallen Alles sei eigentlich bedeutungslos und wir sein einsame, vereinzelte Egos nennen sich Egoist*innen und Nihilist*innen. So wirkt die schreckliche nihilistische Ideologie der linken Szene fort, denn statt zu akzeptieren dass alles, was wir tun bedeutungsvoll ist, und daher auch alles was im Hier und Jetzt passiert, bleiben sie bei der Begründung ihres Handels in der Bedeutungslosigkeit unserer Leben ist.
Das zeigt sich auch
in der Überschneidung mit der linken Szene in Hinblick auf deren Hedonismus. Der linke Hedonismus ist eine suchtvolle Verdrängung des eigenen Gefühls der Bedeutungslosigkeit, es wird versucht durch Konsum von Substanzen, Erlebnissen oder Beziehungen den eigenen Schmerz zu stillen. Das führt unweigerlich dazu, dass die Welt außerhalb des eigenen Egos immer mehr ein Mittel zum Zweck wird – ein Objekt, genauso wie sie es in der restlichen Gesellschaft ist. So werden all unsere Beziehungen objektifiziert. Selbstverständlich wird so das Entstehen von gleichwertigen Beziehungen verhindert, weil Gleichwertigkeit heißt Menschen, Lebewesen und die restliche Welt nicht als Objekte zur betrachten, sondern als Beziehungspartner*innen.
Ein gutes Beispiel hierfür sind romantische und sexuelle Beziehungen:
Eine der häufigsten Missbrauchsdynamiken in ihnen ist der*die Partner*in(nen) dort nicht als Menschen mit eigenen Bedürfnissen, sondern Objekt(e) zu betrachten und das eigene Glück als wichtiger als deren Selbstbestimmung zu empfinden.
Und bevor Hedonist*innen einwerfen Hedonismus müsse nicht nihilistisch sein – ja das stimmt. Hierfür braucht es aber einen Bruch mit dem nihilistischen Weltbild unserer Gesellschaft und somit der Linken.

11. „In ein paar hundert Jahren.“ – Die Revolution als ferne Utopie

Verbunden mit der Vorstellung der Revolution als Erlösung ist eine abstrakte Verschiebung dieser auf eine weit entfernte Zukunft – in der Regel „in ein paar hundert Jahren“. Dabei sagen Linke oft die Menschen müssten erst „besser werden“ in der schlimmsten Form dieser Argumentation wird erzählt: „Wenn es jetzt Revolution gebe, würden die Nazis sie machen“. Das imaginiert³ sich erst mal herbei der Status Quo sei kein katastrophaler Zustand und gleichzeitig Nazis müssten gegen den Staat Revolution machen und seien in Teilen nicht schon so gut mit dem Staat verbunden, dass sie die Macht einfach übernehmen bzw. übertragen bekommen können. Außerdem macht es klar, dass viele Linke Soziale Revolution als Konzept nicht kennen oder verstehen wollen. Soziale Revolution heißt ja gerade den Staat los zu werden und damit Nazis die Basis für Herrschaft zu nehmen: Wo es keinen Staat gibt kann der auch nicht übernommen werden.
Am wichtigsten an der Vorstellung der fernen Revolution ist aber die realitätsferne dieses Arguments, jeder*jedem der*die wissenschaftlichen Prognosen zur Klimakatastrophe ernsthaft verfolgt ist bewusst, dass die jetzige Gesellschaft untergehen wird – was nicht heißt, dass es danach besser wird. Linke leben also in einer Utopie in der alles ok genug ist, um es weiterlaufen zu lassen und dann eines Tages nicht durch jahrzehntelange Kämpfe und Selbstorganisation, sondern „Besserung des Menschen“ zur Revolution zu kommen.
Hier findet sich auch wieder die Verehrung des Staates, denn revolutionäre Selbstorganisation steht immer im Konflikt mit diesem und kann nicht über Jahrhunderte mit dem Status Quo Frieden schließen. Also sind das zentrale Mittel um zu fernen Revolution zu kommen nicht selbstorganisierte Bewegungen und somit bleibt wieder der Staat.
Das wird auch über Umwege in der linken Szene oft so geäußert, wenn es darum geht das Bildung und Aufklärung zur Veränderung zentral sein. Damit ist nämlich in der Regel nicht selbstorganisierte Bildung, sondern vom Staat mindestens finanzierte Bildung gemeint, häufig sollen aber ganz klar die staatlichen Schulen genutzten werden. Was weil diese auf Zwang beruhen nicht anderes als eine Umerziehungsfantasie ist.

³ Imaginieren – sich eine Einbildung schaffen.

12. „Der Planet gehört uns!“ – Koloniale Weltsicht und Rassismus

Hinter fast allen linken Einstellungen steht eine Verhältnis zur Welt, das eine ganz bestimmte – nämlich die europäisch staatliche, kapitalistische, patriarchale und koloniale Weltsicht als normal annimmt. Alleine zu sagen mit Revolution bzw. ernsthaften Widerstand können gewartet werden und sich auf „Reform“ der bestehenden Ordnung zu konzentrieren, stellt die eigene Bequemlichkeit vor alles Andere.
Dass seit über 500 Jahren indigene Gesellschaften für ihr Weiterbestehen kämpfen und damit real oft andere Ordnungen als die staatliche, kapitalistische, patriarchale und koloniale verteidigen wird ausgelöscht. Diese Auslöschung indigener und von allgemein Geschichte von nicht-weißen Gruppen ist zutiefst rassistisch. Und dieser koloniale Rassismus ist zentraler Kern der Linken. Überhaupt anzuerkennen, dass viele indigene Gesellschaft mindestens gleichwertig sind, hieße sich eingestehen zu müssen, dass Menschen ohne Staat leben können und die Existenz des Staates für ein „Gutes Leben“ nicht notwendig ist. Mit einen kleinen weiteren Schritt, einschließlich der Auseinandersetzung mit indigener/schwarzer und kolonialer Geschichte, ist mensch dann ganz schnell beim Schluss, dass der Staat zentrale Täter*Institution des Kolonialismus ist und, auf jeden Fall in seiner modernen Form, auch immer kolonial sein muss.
Nicht nur ideologisch ist die linke Szene rassistisch: Auf der materiellen Ebene kann die europäische Lebensweise nicht nur der Oberklasse, sondern auch der Mittel- und von Teilen der Unterklassen nur existieren, weil ein Großteil der Menschheit und die restliche Mitwelt dafür ausgebeutet wird. Auch den „Sozialstaat“ kann es in einer Gesellschaft, die aufgrund der Existenz von Staat und Kapitalismus extrem ungleich ist, nur geben, weil europäische Staaten, insbesondere der deutsche (wirtschaftlich) global eine Vormachtstellung bei der Ausbeutung der Welt haben.
Selbst wenn morgen Unternehmen, Kapitalist*innen und Staat gestürzt würden und „die Arbeiter*innen“ Büros und Fabriken übernehmen, wären sie zu Fortsetzung der Produktion auf koloniale „Rohstoffe“ angewiesen.
Die Linke Szene propagiert4 aber nicht eine möglichst große Deindustrialiserung der Gesellschaft und ein Beschränkung des „Ressourcenverbrauchs“, sondern sehr viele Linke glauben an „Luxus für Alle“ oder „Weltraumluxuskommunismus“. Auch ihre „Lösung“ der Klimakrise sieht ähnlich aus, nämlich statt den Energiebedarf stark zu senken, immer mehr Windkrafträder und Solaranlagen aufzustellen. Für die Herstellung dieser werden Boden, Menschen und andere Lebewesen an den fortgesetzt kolonialisierten Orten der Welt vergiftet und zerstört. Die Welt als Ressource zu sehen um den eigenen Konsum aufrechtzuerhalten, sei er nun von Staat Kapitalismus oder basisdemokratischen Verwaltungen organisiert, bedeutet den Kolonialismus, seine Denk- und Fühlweisen weiterzuführen.
Ein Bruch damit kann nur durch Deindustrialiserung stattfinden, das hieße aber konkret daran zu arbeiten und denn eigenen Lebensstil aufzugeben. Um sich nicht damit auseinanderzusetzen wird dann oft – extrem rassistisch – „der Menschheit“ oder „dem Wessen des Menschen“ die Schuld an der Katastrophen dieser Gesellschaft zugeschrieben. Wenn über die Folgen z.B. der Klimakatastrophe gesprochen wird geht es dann oft auch nicht konkret darum, dass hunderte Millionen bis Milliarden BIPOCS durch sie ermordet werden und allgemein leiden, sondern die Angst, dass „die Menschheit“ bzw. „unsere Zivilisation“ alias Europa und sein Staat, Kapitalismus, Patriarchat und Kolonialismus untergehen könnten. Um dies zu verhindern gibt es dann noch x Jahre Zeit, dass indigenen Menschen weltweit seit Jahrhunderten einen Weltuntergang erfahren wird rassistisch wiedermal ausgelöscht.

4 Propagieren – Etwas verbreiten und für gut erklären

13. „Vorher war nichts!“ – Geschichtslosigkeit

Geschichtslosigkeit zeichnet die Linken allgemein aus. Gerade die Geschichte des Widerstandes von schwarzen, indigenen und Menschen of Color wird größtenteils ignoriert, aktiv ausgelöscht oder als reine Geschichte der Nationalen Befreiungskämpfe dargestellt.
Wo der aktuelle Anarchismus sicher immer mehr auf Gesellschaften vor ihm und Kämpfe gleichzeitig zu ihm bezieht, muss die
Linke weiter den Traum erhalten sie, vor allem der Marxismus, habe die richtige Lösung für die Probleme der Welt. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass viele BIPOC-Erzählungen und Weltbilder die industrialisierte Gesellschaft und den Staat kritisieren oder ablehnen. Eine Deindustrialisierung und Entstaatlichung ist aber nicht mit dem Fortbestehen der jetzigen Lebensweise der Linken Szene vereinbar. Statt also Selbstkritik zu üben und die eigene Theorie zu überdenken wird die Existenz anderer Perspektiven und Ansätze geleugnet.
Außerdem löscht die Geschichtslosigkeit aktiv die Schrecken der staats“sozialistischen“ Projekte aus. Auch die UdSSR und die chinesische Kommunistische Partei
haben indigene Menschen kolonialisiert und beide haben noch viele anderes Schlimmes zu verantworten. Würde der Schrecken und das Versagen der staatslinken Projekte nicht einfach tot geschwiegen oder verleugnet, dann wäre der logische Schritt der Linken Szene den Staat konsequent abzulehnen, anarchistisch oder (antiautoritär) kommunistisch zu werden. Aufgrund der zahlreichen Bündnisse mit dem Staat ist dies aber unmöglich.
Zuletzt zeigt sich diese
r Versuch Geschichte der eigenen Weltsicht und Lebensweise anzupassen – ganz wie Stalin, der politische „Genoss*innen“ aus Fotos radieren ließ, als sie später in Ungnade fielen – am Verhältnis zur anarchistischen Geschichte: Entweder wird der anarchistische Teil der Geschichte gezielt verschwiegen/umgeschrieben, wie am 1.Mai, der Kampftag wurde, wegen der Hinrichtung von 5 Anarchist*innen. Einer davon rief übrigens auf deutsch: „Hoch die Anarchie!“, bevor er gehängt wurde. Oder es sie ignoriert aktiv z.B. die anarchistischen Revolutionen im vom Spanien beanspruchten Gebiet 1936 und 1917-1921 in dem Gebiet, wo heute Krieg zwischen der Ukraine und Russland5 herrscht.
Aber wer wei
ß möglicherweise ist es auch gar nicht so schlecht, wenn die Linke durch ihre eigenen Lügen vergisst wie gefährlich Anarchist*innen sein können…

5Ein Angriffskrieg des russischen Staates.

14. Der ewige Marx-Lesekreis – Verehrung von „großen Männern“ und ihren Theorien

Die zentralste Ideologie der Linken ist der Marxismus (heute in einer oft sehr verzerrten Form). Dieser ist nach einer Einzelperson benannt. Die Verehrung von Einzelpersonen findet sich auch generell in der Linken wieder, ob es historische Führer*innen des Marxismus wie Engels, Lenin, Trotzki, Stalin oder Mao waren oder akademische Theoretiker*innen wie Adorno oder Foucault (Heutzutage kommen auch noch die Namen einiger cis6 Frauen wie Rosa Luxemburg oder Clara Zetkin hinzu). Dahinter steht die Vorstellung Einzelne oder kleine Gruppen von öffentlich auftretenden Personen würden ihre Theorie in einem Vakuum7 losgelöst von den Menschen um sich herum entwickeln. Theorien sind aber immer Ausdruck von größeren gesellschaftlichen Strömungen und Kulturen.
Und die Menschen, welche besagte Theoretiker*innen mit Essen versorgt, für sie geputzt oder in den Fabriken Güter für ihren Konsum hergestellt haben, waren genauso wichtig für die Entstehung der Theorie wie die Theoretiker*innen selbst.
Das Verständnis und Erlernen von einzelnen Theorien der großen cis Männern (und cis Frauen) statt sich mit Theorieströmungen und Kulturen zu beschäftigen, führt außerdem zu einer immensen theoretischen Schwäche: Einerseits vertreten alle Theoretiker*innen falsche Ansichten, anderseits sind die meisten zentralen Theoretiker*innen der Linken lange tot oder haben uralte nie angepasste Theorien als Grundlage.
Ein Marx-Lesekreis wird eine*n nicht verstehen lassen, wie der aktuelle demokratische Staat soziale Bewegungen integriert. So laufen Linke immer wieder in die gleichen Fallstricke und gleichzeitig machen sie alle Alternativen unsichtbar, denn z.B. heutige anarchistische Theorie ist weder durch Einzelpersonen geprägt noch lässt sie sich mit dem Denken in Einzelpersonentheorien gut verstehen.

6 Cis ist das Gegenstück zu trans*, also Menschen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesen Geschlecht identifizieren
7 Vakuum – (Luft) Leerer Raum

15. „Hast du eine Studie dazu?“ – Akademisierung von Theoriebildung

Die Linke verehrt nicht nur einzelne Theoretiker*innen, sondern auch die staatliche Wissenschaft und ihre Universitäten. Hier zeigt sich wieder einmal das Verhältnis zum Staat, der nicht als Feind*in, sondern Mittel zur Befreiung angesehen wird.
Diese Sichtweise führt dann dazu, dass der Staat enormen Einfluss auf soziale Bewegungen nehmen kann und in großen Teil bestimmt wie diese über sich selbst denken.
Ein super Beispiel hierfür ist, dass Bewegungen glauben sie müssten alles auf vermeintlich erfüllbare Forderungen reduzieren und ohne das Stellen von Forderungen könnten sie nichts verändern. Dieser Denkweise stammt 1:1 aus den Texten universitärer, staatlicher Bewegungsforscher*innen. Welche versuchen Ziele von Bewegungen zu identifizieren und diese in ihrem Forschungsfazit in vom Staat erfüllbare Forderungen zu übersetzen. Warum? Ganz einfach, weil sie der Staat bezahlt und sie in einer staatlichen Einrichtung arbeiten, in welcher der Staat als normal und grundsätzlich gut angesehen wird.
Außerdem gibt es eine ideologische Kontrolle der Wissenschaft durch den Staat, wer offen dazu forscht wie der Staat zerstört werden kann, wird nie eine Anstellung an einer deutschen Uni erhalten und eventuell aber ein Strafverfahren. Und auch in Bewegungen gelesene (deutschsprachige) Autor*innen, die selbst nicht direkt an einer Universität arbeiten, beziehen sich in der Regel auf maßgeblich universitäre Theorie oder sie sind wie Marx uralt und somit leicht im Sinne des Staates verzerrbar.
Dadurch, dass das staatliche Weltbild und damit zusammenhängend auch kapitalistische, patriarchale und rassistisch-koloniale Weltbild beziehungsweise Theorien aus diesem in Bewegungen immer wieder normalisiert und als Grundlage genommen werden, werden bestehende radikale, anti-autoritäre Theorien an den Rand gedrängt und jede Entwicklung eigener radikaler Theorie verhindert. Bewegungen werden liberal gemacht und somit staatstreu gehalten.

16. „Hört auf die Wissenschaft!“ – Wissenschaftsgläubigkeit

Hört auf die Wissenschaft!“, das ist heute das vermeintliche Allheilmittel der Linken. Aber bereits in dem monolithischen8 Vorstellung, es gebe bei den meisten Fragen eine genau einheitliche wissenschaftliche Position, zeigt sich der autoritäre Kern dieses Denkens. Es soll nicht mehr diskutiert und nachgedacht werden, sondern einfach auf die weisen Männer, Frauen und vielleicht auch bald Enbys9 gehört werden. Wissenschaftler*innen sind danach also keine Personen mit vielleicht etwas mehr Wissen als andere über einen Bereich, sondern Priester*innen deren Wort heilig und absolut ist.
Diese autoritäre Glaube an die Wissenschaft führt auch noch dazu, dass sich nicht bewusst gemacht wird woher was wir heute Wissenschaft nennen kommt und welche Denkmuster dahinter stehen. Universitäten und ihre Wissenschaft sind entstanden zusammen mit dem Nationalstaat, Kolonialismus/Rassismus, Kapitalismus und der Ausweitung patriarchaler Verhältnisse auf die letzten halbwegs gleichwertigen Beziehungen. Wissenschaft ist daher zutiefst von diesen geprägt. Wir sehen das z.B. dran wie sehr die Wissenschaft an der Forschung zu erneuerbaren Energien und auch der Propaganda für diese beteiligt ist – also Werbung für ein koloniales Projekt macht.
Hier zeigt sich auch die Unfähigkeit der Wissenschaft soziale Lösungen statt technologischer zu suchen, weil sie eben den Rahmen von Staatlichkeit und Kapitalismus nicht sprengen darf/kann. Oder hat schon mal wer gehört, dass Wissenschaftler*innen die Enteignung des Staates (und von Unternehmen) und gleichzeitig Deindustrialiserung empfehlen?

8 Monolith – ein einheitlicher großer Felsblock.
9 Enbys – Wort für nicht-binäre Menschen, wird oft verwendet wie Herr/Mann, Frau/Dame

17. Cyberkommunismus/Smart Cities – Technologie und Überwachung als Lösung der Klimakatastrophe

Aus der Wissenschaft kommen auch die linken Ansätze, welche vom Staat eine Lösung der Klimakatastrophe verlangen. Wenn nicht von einer magischen Technologie ausgegangen wird, welche alle Mitweltschädlichkeit auf einmal beseitigt, gibt es dafür nur eine andere Option: Einschränkung des Konsums. Und was muss der Staat tun, um den Konsum einschränken und steuern zu können? Ihn überwachen…
Im kleineren Maststab ist die linke Lösung hierfür die Smart City – also eine Stadt, in welcher durch technische Aufzeichnung und Überwachung der „Ressourcen“verbrauch genau aufeinander abgestimmt wird: Beispielsweise gibt es einen Alarm durch den Kühlschrank, wenn Lebensmittel bald ablaufen. Dies ist dann beliebig ausweitbar: Warum nicht die Wassermenge beim Duschen zählen und smart steuern? „Und ist nicht wer zu viel Wasser und auch Energie verbraucht Solidaritätsverweigerer*in10?“ „Da muss der Staat doch eingreifen!“.
Cyber“komunismus“ dehnt diese Kontrolle der*des Einzelnen dann auf Planung der ganzen Wirtschaft aus. Nach der Vorstellung von Cyber“komunnist*innen“ ist die zentralisierte Planwirtschaft nicht an den gleichen Probleme
n wie alle zentralisierten Systeme und staatlichen Bürokratien „gescheitert“ (gescheitert ist sie ja eigentlich nicht – in Kontrolle und Ausbeutung war sie gar nicht so ineffizient), sondern weil es zu wenig Rechnerleistung und Datenerfassung gab. Mit der heutigen Computertechnologie z.B. künstlicher Intelligenz würde sich das aber lösen lassen…
Wem das
mensch jetzt als totalitärer Albtraum vorkommt, dass ist es leider nicht, sondern es ist die logische Folge einen Linken, die den Staat als zentrales Mittel ihrer Politik ansieht. Ein Grund mehr sie zu bekämpfen…

10 „Solidaritätsverweigerer(*innen)“ war während der Corona-Pandemie ein linkes Wort für Menschen, die sich nicht impfen, manchmal auch nicht einsperren lassen wollten.

18. „Shoot the Messenger!“ – Verdrängung und Konfliktvermeidung

Wer bis hierhin gelesen hat, dem*der ist vielleicht aufgefallen, dass mit einen bisschen anarchistische Theorie und Analyse die „Probleme“ der linken Szene und sehr viele derer Ursachen erkennbar sind. Nun steht die linke Szene schon seit keiner kurzen Zeit in Kontakt mit Anarchist*innen und einige Anarchist*innen verstehen sich auch selbst als Teil der Linken. Warum werden anarchistische Analysen dann nicht aufgegriffen und die „Probleme“ angegangen?
Weil es leichter ist die Überbringer*innen der Nachrichten zu bekämpfen, als sich selbst kritisch zu hinterfragen, wenn ein ernsthaftes Hinterfragen eine massive Veränderung des eigenen Lebens bedeuten würde. Alleine sich nicht mehr auf Seiten des Staates zu stellen,
bedeutet vielmehr Unsicherheit und Risiken einzugehen. Auch sich die eigenen Fehler und menschenfeindlichen Einstellungen zu gestehen ist schmerzhaft. Menschen neigen grundsätzlich oft zur Verdrängung und Schuldzuschreibungen auf Einzelne statt die eigenen Einstellung und Verhaltensweisen zu verändern, einschließlich des Umfelds/der Ordnung, in welcher sie leben. Dagegen haben anti-autoritäre Gesellschaften und Bewegungen eigene Strategien, Handlungsweisen und Vorstellungen entwickelt. Ein Beispiel hierfür ist die anarchistische Ablehnung von Strafe und abstrakter moralischer Schuld oder die Erzählung von Anarchist*in-Sein als fortwährender Prozess der Selbstreflektion und Veränderung.
Die Linke
ohne Bruch aus der autoritären staatlichen, kapitalistischen, kolonialen und patriarchalen Gesellschaft kommend und auf über hundert Jahren der Abwehr anarchistischer Ideen beruhend hat keinen Zugang zu dergleichen.
Mit immer
klarer werdenden Katastrophen, Krisen und dem Fehlen einer ernsthaften auch nur Anfangsanalyse dazu, bleibt nur das Ausweichen darauf die Überbringer*innen der Nachrichten anzugreifen und sie dafür schlecht zu machen Konflikte in die heimische Stube zu tragen. Hierzu wird dann Grundsatzkritik- oder mit Auseinandersetzungen einhergehendes Brechen des vermeidlich formal korrekten Wegs durch die Kritiker*innen regelmäßig als schlimmer bewertet als die eigenen beschissenen Inhalte und deren Auswirkung.
Äußere Form wird über die Auswirkungen und den Inhalt gestellt. Die Kritiker*innen werden an
gegriffen, um das Problem nicht sehen und akzeptieren zu müssen: Der Mechanismus dahinter ist der Gleiche, wie wenn Menschen die Klimakatastrophe verdrängen und die Schuld bei jenen suchen, die sie daran erinnern oder in wie auch immer reformistischer Form gegen ihre Symbole oder Ursachen Widerstand leisten. „Wie könnt ihr es wagen Suppe auf Bilder zu schütten?“ „Wie könnt ihr es wagen den Szenefrieden zu brechen?“.
Und während die Propaganda der kapitalistischen und staatlichen Presse die Bevölkerung gegen Abweichler*innen in Stimmung bringt, findet dies in der linken Szene hauptsächlich durch informelle Netzwerke und hinter dem Rücken durch Über-Andere-Reden statt.
Dabei ist gerade wichtig, dass die Betroffenen sprachlos oder aussagelos gemacht werden. Denn genauso wie einige Konservative vielleicht Klimaaktivist*innen verstehen würden, würde sie ihre Medien lesen, hören oder sehen, könnten Linke anfangen Anarchist*innen zu verstehen oder zumindest die Kritik ernstzunehmen würden sie sich auf deren Aussagen statt Hören- oder Lesensagen beziehen. Darum gibt
es in der linken Szene so wenig Beschäftigung mit anarchistischer Theorie&Praxis und Gerüchte, Gerede über einzelne Gruppen ohne Bezug auf deren öffentlichen Aussagen. Darum ist es auch tabuisiert öffentliche Kritik zu äußern, nicht nur weil das eventuell dem eigenen Ansehen schadet, sondern weil öffentliche Äußerungen nachvollziehbar(er) und transparent(er) sind. Und um die Bloßstellung der eigenen Verdrängungs- und Kritikunfähigkeit zu vermeiden wird dann vorgeworfen, dass Probleme nicht erst „nicht-öffentlich“ angesprochen wurden. Passiert dies werden sie selbstverständlich regelmäßig ignoriert und Menschen dafür angegangen überhaupt den Szenefrieden gebrochen zu haben.

19. Der Rückzug ins Private – Die Utopie sicherer Gemütlichkeit

Verbunden mit der Konfliktunfähigkeit und Verdrängung der linken Szene ist ein Rückzug in die gemütliche Gleichgültigkeit privater oder halb privater Orte. Dort wird dann die Realität der restlichen Gesellschaft möglichst ausgeblendet.
Ein gutes Beispiel für den Glauben daran sich aus der Gesellschaft zurückziehen zu können ist das Konzept des Safe Space oder Safer Space.
Der Safe Space oder Safer Space soll einen Ort schaffen, wo unterdrückte Menschen geschützt(er) sind vor ihrer Unterdrückung. Jedoch reduziert dies Herrschaftsverhältnisse auf einige wenige Aspekte. Einer dieser wenigen Aspekte ist in der Regel Sprache und andere Formen rein symbolischen Verhaltens. Sprache ist leicht kontrollierbar, zumindest wenn es dabei nur um die Wörter geht. Wer sich traut zu sprechen und das Wissen hat mitzudiskutieren ist eine ganz andere Frage. Die kann aber nicht losgelöst von der restlichen Gesellschaft angegangen werden: Wer z.B. nicht regelmäßig an linken Veranstaltungen teilnehmen kann, weil mensch im Schichtdienst arbeitet oder sich um Kindern kümmern muss, kann gar nicht erst die eigene Meinung äußern. Hier hilft keine Safer Space, sondern nur gegenseitige Hilfe und Unterstützung in die Gesellschaft hinein.
Durch den Fokus auf sprachliche Formulierung
wird auch häufig die eigene Beteiligung an der Unterdrückung unsichtbar gemacht. Linke Akademiker*innen sind zum Beispiel federführend an vielen Herrschaftsinstitutionen beteiligt, gleichzeitig erfahren sie aber oft weniger Kritik und Ablehnung als BIPOCs aus den unteren Klassen, weil sich linke Akademiker*innen eben politisch korrekter ausdrücken können. Der Fokus auf Sprache findet sich dabei in der gesamten Linken Szene nicht nur an Veranstaltungsorten, es ist ein Mechanismus wie der Anschein einer besseren z.B. anti-rassistischen Bewegung aufrechterhalten wird, während gegen das Morden an den EU-Aussengrenzen allenfalls symbolischer Protest stattfindet.
Zu glauben es gebe
wirklich sichere oder wesentlich sicherer Orte ist außerdem gerade eine Allmachtsphantasie, welche die Macht von Institutionen wie Staat und Kapitalismus vollkommen unterbewertet oder diese nicht als Gegner*innen versteht. Welcher Ort ist wirklich sicher vor Polizeieinsätzen oder den Auswirkungen von Eigentum/dem kapitalistischen Markt? Ihr findet sich eine allgemeine Logik der Linken Szene mit der sie sich selbst eine private Gemütlichkeit schafft: Herrschaftsformen normalisieren oder ignorieren.
Die Zuspitzung
davon wurde während der Coronapandemie sichtbar als große Teile der Linken treu, oft auch eifrig die staatlichen 2G- und 3G-Regeln umsetzten: Für das eigene bequeme Sicherheitsgefühl im als Privateinwohnzimmer verstandenen sozialen, autonomen oder auch „anarchistischen“ Zentrum wurden alle Menschen ohne Papiere ausgeschlossen. Diese konnten sich nämlich entweder nicht impfen/testen lassen oder sie konnten die Impfung/die Tesung nicht mit Hilfe eines Lichtbildausweises nachweisen, also faktisch gar nicht. Gleichzeitig zogen sich auch viele Teile der Szene in ihre sichereren Privatwohnungen zurück, während vor allem Menschen aus den unteren Klassen und jene, die nicht als „richtig“ deutsch oder weiß einsortiert werden, die Risiken von Pflege-, Transport und Verkaufsarbeit tragen mussten. Die Sicherheit der Linke Szene ist eine Utopie beruhend darauf, dass andere gezwungen werden ihre Leben zu gefährden.

20. Die perfekte Beziehung – Trennung von Privatleben und Gesellschaft

Eine andere Form des Versuches der Linken Szene sich eine Utopie im Privatleben zu schaffen sind die Ansprüche, welche an „persönliche“ Beziehungen gestellt werden: Diese sollen möglichst perfekt sein ohne das dabei deren Eingebunden-Sein in die Gesellschaft mitgedacht wird. In dieser Gesellschaft sind wir nämlich alle traumatisiert. Dies Traumata haben ein unterschiedliches Ausmaß, aber wir alle sind davon betroffen. Traumatisierte Menschen können in der Regel keine auch nur annähend perfekten Beziehungen11 führen. Doch all die massiven Verletzungen, welche wir mitbringen, werden in Linken Szene ignoriert.
Ein gutes Beispiel ist das Konzept der „
einseitigen Parteilichkeit mit den Betroffenen“ bei Konflikt- und Übergriffsituationen. Übergriffe können anders als in der linken Utopie zum Beispiel gegenseitig stattfinden, gerade in Gemeinschaften mit noch mehr Trauma als im Durchschnitt der Gesamtgesellschaft. Statt problemzentriert zu schauen wie Übergriffe verhindert und Beziehungen verbessert werden können, steht aus dem Bild einer perfekten Idealbeziehung in der Regel eine moralische Verurteilung.
Auch allgemein in Konflikten und wenn Menschen sich einfach mal nicht optimal verhalten, gibt es einen enormen Perfektionsdruck.
Das lasst sich gut in vielen feministischen Diskussionen über Arbeit im „eigenen Haushalt“ sehen, dort wird immer wieder gesagt die Arbeit sollte nach Geschlechtern gleich verteilt sein. Als grundsätzliche Analyse ist das richtig (vielleicht sollten wir aber lieber Geschlecht abschaffen), es wird aber zum Problem, weil es oft auf jede einzelne Beziehung angewandt wird. Doch von einem entfernten Außen lässt sich nicht bewerten wie die „Ressourcen“ der Beziehungsbeteiligten sind. Es spielen zu viele Faktoren ein Rolle: Z.B. wer bekommt für Lohnarbeit mehr Geld, lohnarbeiten beide oder warum nicht? Wessen Job ist stressiger? Wie ist die Vorgeschichte von Menschen? Was für Fürsorgearbeit machen Menschen außerhalb der Beziehung?
Leider wird aber das Idealbild von vielen als Grundlage zum konkreten Umgang miteinander genutzt, was
immer wieder zu einem enormen Druck führt und die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse in Beziehungen verfestigt.
Ein heterosexuelle
r cis Mann hat im Schnitt oft weniger Traumata- und Unterdrückungserlebnisse zu verarbeiten, auszuhalten und bekämpfen als ein queerer cis Mann oder eine trans Person/ein Enby/ein Agender12 und daher mehr Kraft Haushaltsaufgaben zu erfüllen oder sich allgemein auf eine romantische Zweierbeziehung zu konzentrieren. Linke Szene Feminist*innen landen daher oft dort, worüber sie sich wiederkehrend beschweren: In romantische Zweierbeziehungen mit heterosexuellen cis Männern.
Außerdem findet sich hier auch wieder Konfliktvermeidung. Konflikte werden nicht als, insbesondere in dieser Gesellschaft, normaler Bestandteil von Beziehungen gesehen
(ein Bestandteil, der teilweise notwendig ist damit es Veränderung, Lernen und Wachstum geben kann), sondern als etwas was die Gemütlichkeit der eigenen Beziehungen zerstört. Wer kann wohl Konflikten in der eigenen Beziehungen am besten aus dem Weg gehen oder sich unsichtbar durchsetzen? Diejenigen, die es auch in der restlichen Gesellschaft können, weil sie in vielen Hierarchien weit oben stehen. Ob in der romantischen Zweibeziehung oder der Freund*innengruppe Verlier*innen der linken Trennung zwischen Privat und Gesellschaftlich sind wieder queere Menschen (insbesondere Männer*), Trans*, Inter*, Nicht-Binäre und Agender, BIPOCs, nicht-kartoffelige Personen und auch Arme und obdachlose Menschen, Menschen mit Suchterkrankungen und psychischen Leiden, Betroffene von Ableismus und viele mehr.

11 Und auch wenn menschliche Beziehungen wesentlicher besser als in dieser Gesellschaft sein können, perfekt sind sie nie.
12 Agender – Menschen, die sich mit keinem Geschlecht identifizieren, daher kein Geschlecht haben.

21. „Das Patriarchat sind die Männer“ – Personifizierung von Herrschaft

Eine fehlende Herrschaftsablehnung- und Analyse zeichnet die Linke allgemein aus, besonders eindeutig wird dies wenn es ums Patriarchat geht. Die Standardvorstellung des linken Feminismus ist, dass Patriarchat sei die Herrschaft von (cis) Männern über (oft cis) Frauen keine komplexes System von Verhaltensweisen, Institutionen und Hierarchien.
Das zeigt ich dann darin, dass linke Feminist*innen meist nicht
den Staat ablehnen. Das Patriarchat und Staat hängen aber untrennbar miteinander zusammen, alleine schon weil sie beide auf Herrschafts- und Kontrolllogiken beruhen. Es gibt daher auch keine staatliche Gesellschaft die nicht patriarchal ist. Aber statt eine tiefergehende Analyse zu entwickeln, werden einfach (cis) Männer und Männlichkeit als Hauptausgangspunkt des Patriarchats gesehen.
Das Wort Patriarchat selbst hat
bereits mehr als nur einen geschlechtlichen Teil, seine Bedeutung ist grob „Väterherrschaft“ – geschichtlich vor allem auch Vorherrschaft einzelner „Väter“ über eine Großfamilie, einschließlich der Herrschaft über jüngere erwachsene (cis) Männer. Väterherrschaft beinhaltet aber immer zumindest auch die Herrschaft über „Kinder und Jugendliche“. Und diese Herrschaft und damit einhergehende Kontrolle, Erziehung und Traumatisierung ist zum Erhalt des Patriarchats notwendig.
Männlichkeit und Weiblichkeit sind keine Eigenschaften mit denen wir geboren, sondern Kategorien, die uns gesellschaftlich aufgezwungen
werden oder an denen wir uns (manchmal selbstbestimmt) orientieren.
Eigentlich müsste einer der wichtigen feministischen Kämpfe sein junge
n Menschen – sogenannten „Kindern“13 bei ihrer Befreiung von der Herrschaft der „Väter“ und aller anderen Erwachsen zu unterstützen, ist es aber nicht. Daher wird auch nicht gesehen, dass Menschen zu (patriarchalen) Männer14 gemacht werden, sondern Geschlecht und die Rolle als (patriarchaler) Mann essentialisiert15.
Ein klare Ursache findet sich wieder in der Allianz der Linken mit dem Staat. Der Staat muss junge Menschen kontrollieren und erziehen, um sie gehorsam zu machen. Da der Staat auf dem Patriarchat beruht wird auch diese
s immer dabei gefestigt. Eine Feminismus der den Staat nicht ablehnt, lehnt daher auch nicht das Patriarchat ab. Anstatt ein bessere Analyse des Patriarchats zu versuchen, welche zum Beispiel die Aberkennung von Selbstbestimmung und das Streben nach Kontrolle des Lebens und der Körper/Sexualität anderer Menschen als Element des Patriarchats identifiziert, wird alles Schlechte alleine (cis) Männern bzw. AMAB16-Personen zugeschrieben. AMAB-Personen sind aber ebenfalls Betroffene des Patriarchats wie AFAB17-Personen.
Dass sich das Patriarchat nicht durch Schuldzuweisungen bekämpfen lässt, zeigt ein Beispiel aus dem Bereich Flirting bzw. Dating gut: Viele weiblich-eingeordnet-werdende Menschen sind frustriert, weil ihnen oft nicht klar kommuniziert wird mit welchen Interesse männlich-eingeordnet-werdende Menschen sie kennenlernen wollen. Allerdings haben viele weiblich-eingeordnet-werdende Menschen verinnerlicht Druck zu empfinden, wenn z.B. eindeutig von einer männlich-eingeordnet-werdenden Person gesagt wird, dass diese sie zumindest mit Offenheit für eine romantische, körperlicher oder sexueller Beziehung kennenlernen will (Eine Ursache dafür findet sich unter anderem in der durch permanente massive Übergriffe geschaffene Zerstörung selbstbestimmter, selbstbewusster Sexualität und Körperlichkeit in unserer Gesellschaft).
Die Lösung für das beschriebene Problem kann nur aus einem gemeinsamen Kampf gegen das Patriarchat und gemeinsamem Veränderung kommen. Weil sie beide Empfindungen bzw. Verhaltensweisen gegenseitig erhalten und bestärken. Gerade eine moralisierenden linker Feminismus schreckt aber von dem gemeinsamen Hinterfragen und Analyse der Unterdrückung ab, weil er die moralische Schuld (cis) Männer bzw. männliche-eingeordnet-werdenden Personen (alleine) zuschreibt.
Ein weiteres Beispiel
für den Schaden, welchen linker Feminismus anrichtet, zeigt sich, wenn es um Konsens geht. Selbstbestimmung bei sexuellen Handlungen ist sehr wichtig, genauso wie im Rest des Lebens. Linken Feminist*inne reduzieren Konsens, aber in der Regel auf „persönliche Beziehungen“, was nicht gut funktionieren kann. Die (staatliche) Schule spricht beispielsweise alle jungen Menschen Selbstbestimmung ab und zwingt sie eine festgelegte Zeit an einem bestimmten Ort zu verbringen. Tun sie das nicht oder leisten sie dort nicht Gehorsam und konkurrieren miteinander, werden sie bestraft. Wenn jede Generation über Jahre hinweg die Selbstbestimmung über große Teile ihres Lebens abgesprochen bekommt, erlernt sie vor allem eins: „Die eigene Selbstbestimmung und die anderer Menschen ist wertlos.“ Dass sie dann z.B. auch beim Sex darauf nicht achtet, ist kein Wunder, sondern logisch. Selbstverständlich spielt auch die massive, normalisierte (sexualisierte) Gewalt gegen „Kinder und Jugendliche“ in unserer Gesellschaft eine Rolle.
Eine Gewalt, die viele Feminist*innen unsichtbar machen in dem sie (meist cis) Frauen als einzige Hauptbetroffene von sexualisierter Gewalt darstellen.18 Hier zeigt sich
erneut die Personifizierung des Patriarchats als „die (cis) Männer“ führt zu einem Aufrechterhalten des Patriarchats, ebenso jede Allianz mit dem Staat.
Teilweise verstärkt linker Feminismus
patriarchale Unterdrückung sogar noch, weil er noch mehr Erwartungen an AMAB-Personen aufstellt, denen das Patriarchat eh schon vermittelt sie müssten unverletztbar, stark sein und alle Erwartungen an sie erfüllen, sonst seien sie keine „richtigen Männer“. Ohne Unterstützung und sichtbaren Ausweg aus Rolle als (patriarchaler) Mann, werden viele dann vom anti-patriarchalen Kampf abgeschreckt, sie begehen Suizid oder fügen sich anders soviel Schaden zu, dass sie im Durchschnitt wesentlich kürzer leben als AFAB Personen. Bei trans*, inter*, nicht-binären und nicht-heterosexuellen Menschen kommt selbstverständlich noch jede Menge Belastung aufgrund von Trans- und Queerfeindlichkeit hinzu. Eine anarchistische Gegenperspektive zum linken Feminismus bedeutet nicht die Betroffenheit irgendeiner Gruppe herunterzuspielen oder in Abrede zu stellen, sondern eine ernsthafte Analyse aufzustellen wie das Patriarchat funktioniert und wie es sabotiert und kaputt gemacht werden kann – Befreiung für alle: Smash Patriarchy! Abolish the Left!

13  Die Trennung zwischen sogenannten „Kindern“ und „Erwachsenen“ ist in vielerlei Hinsicht nur eine Konstruktion, um „Kindern“ die Selbstbestimmung abzusprechen, statt sie als Menschen zu sehen den gegenüber die eigene Machtpostion besonders reflektiert werden sollte.
14 Außerhalb des europäischen staatlichen, kapitalistischen und kolonialen Patriarchats gibt es auch andere Vorstellungen von Männlichkeit. Mein Wissen über diese ist zu gering, um sie umfangreich zu bewerten. Sie sind wohl zumindest oft weit weniger patriarchal als Männlichkeit ins unserer Gesellschaft.
15 Essentialismus ist die Vorstellung irgendetwas sei die unabänderbare natur- oder gottgegebene Eigenschaft z.B. von Menschen. Ein typisches Beispiel für Essentialismus ist der Glaube an (biologische) „Menschenrassen“.
16 Assigend Male At Birth: Personen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, die jetzt z.B. aber nicht-binären sein können.
17 Assigend Female At Birth: Personen, denen bei Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, die jetzt z.B. aber nicht-binären sein können.
18 So ist ungefähr mindestens jede*r 10 Betroffen*e von Vergewaltigungen cis männlich (Sieh hierzu: www.nsvrc.org/statistics/questions-answers?question=844). Außerdem wird Vergewaltigung oft auf penetriert werden reduziert, werden „andere Formen“ sexualisierter Gewalt mit einbezogen wird der Anteil wesentlich höher und liegt bei mindestens 20-30% (sieh dazu: www.nsvrc.org/statistics/questions-answers?question=845).
In feministischen Kreisen wird außerdem davon Gesprochen 99% der sexualisierten Gewalt ginge von Männern aus. Das ist falsch: mindestens 10% sexualisierter Gewalt geht von cis Frauen aus (Siehe hierzu: www.nsvrc.org/sites/default/files/2021-04/full-report-2018-national-study-on-sexual-harassment-and-assault.pdf) Auch hier sind die Zahlen wahrscheinlich wesentlich höher, weil Frauen zugeschrieben wird keine Täter:innen sein zu können und Männern jeden sexuelle Handlungen wünschen zu müssen. Gegenüber cis Frauen ist die Rate von betroffenen trans- und nicht-binären Menschen übrigens ungefähr fast doppelt so hoch. Wie hoch z.B. das Einkommen einer Person ist, welche sexuelle Orientierung sie hat und ob sie BIPOCs spielt auch eine große Rolle.

22. FLINTA19 – cis Frauen only: Feministische Queerfeindlichkeit

Verbunden mit der Schuldzuweisung für das Patriarchat an nahezu ausschließlich Männern gibt es eine immense Abneigung gegen queere Männer und AMAB Personen, anders erklärt sich nicht warum Erstere so offen und letztere oft unausgesprochen von feministischen Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Dies passiert in der Regel in Form von FLINTA only Veranstaltungen. Alle Männer außer trans Männer, also auch schwul-, bi-, pansexuelle cis Männern sind dort nicht willkommen. Trans* und nicht-binäre, agender AMAB Personen werden oft skeptisch beäugt, ob sie nicht nur vortäuschen keine cis Männer zu sein, und mensch sei trotzdem oft „männlich-gelesen“.
Was der Ausschluss von queeren Männer für einen Sinn hat ist dabei in der Regel nicht klar. Geht es darum keinen Sexismus im Raum fortzuführen?
Klar queere Männer können sexistisch sein, aber das können (cis) Frauen auch.
Geht es um den Schutz vor sexualisiert
er Gewalt? Erstmal geht sexualisierte Gewalt statistisch häufiger von hetero cis Männern aus, aber die Zahlen sind auch nicht so extrem unterschiedlich nach geschlechtlicher Identität verteilt…20 Und selbst wenn mensch andere Zahlen annimmt, was soll dann der Ausschluss von schwulen Männern? Sind diese eine größere Gefahr für Frauen was sexualisierte Gewalt angeht als z.B lesbische oder bisexuelle Frauen?
Wer bisher ernsthaft glaubt es gehe bei FLINTA-Only-Räumen wirklich um den Schutz von irgendwem und das sei durchdacht, bekommt wahrscheinlich langsam Zweifel. Der einzige logische Schluss warum es so viele FLINTA-Only-Räume in der Linken Szene gibt, aber keine Räume, wo z.B. cis hetero Frauen ausgeschlossen werden, ist das cis Frauen sich eine moralische Überlegenheit und eine besondere Betroffenheit vom Patriarchat zuschreiben. Das ist zutiefst trans- und queerfeindlich und verleugnet die Realität, das cis hetero Frauen zwar massiver Unterdrückung und Gewalt durch das Patriarchat ausgesetzt sind und waren, anders als queere Menschen aber nie als Gruppe vollständig ausgelöscht werden sollten. Die Unterdückungserfahrungen beider sollten also mindestens gleich bedeutsam sein.
Durch
beschriebene abstrakte Moralpolitik können cis hetero Frauen zusätzlich vor allem noch leichter verleugnen, dass auch sie sexistisch und queerfeindlich sein können/sind (alle Geschlechter und Personen setzen das Patriarchat fort, selbstverständlich sind wir je nach geschlechtlicher, sexueller und auch nach individueller Machtposition unterschiedlich von ihm betroffen/unterdrückt).

19 FLINTA – Frauen, Lesben, Inter*, Trans*, Nicht-Binäre, Agender
20 Für alle die Fußnote 18 nicht gelesen haben nochmal der gleiche Text: So ist ungefähr mindestens jede*r 10 Betroffen*e von Vergewaltigungen cis männlich (Sieh hierzu: www.nsvrc.org/statistics/questions-answers?question=844). Außerdem wird Vergewaltigung oft auf penetriert werden reduziert, werden „andere Formen“ sexualisierter Gewalt mit einbezogen wird der Anteil wesentlich höher und liegt bei mindestens 20-30% (sieh dazu: www.nsvrc.org/statistics/questions-answers?question=845).
In feministischen Kreisen wird außerdem davon Gesprochen 99% der sexualisierten Gewalt ginge von Männern aus. Das ist falsch: mindestens 10% sexualisierter Gewalt geht von cis Frauen aus (Siehe hierzu: www.nsvrc.org/sites/default/files/2021-04/full-report-2018-national-study-on-sexual-harassment-and-assault.pdf) Auch hier sind die Zahlen wahrscheinlich wesentlich höher, weil Frauen zugeschrieben wird keine Täter:innen sein zu können und Männern jeden sexuelle Handlungen wünschen zu müssen. Gegenüber cis Frauen ist die Rate von betroffenen trans- und nicht-binären Menschen übrigens ungefähr fast doppelt so hoch. Wie hoch z.B. das Einkommen einer Person ist, welche sexuelle Orientierung sie hat und ob sie BIPOCs spielt auch eine große Rolle.

23. Binärer Feminismus: Trans-, Nicht-binären-, Agender -und Interfeindlichkeit

Wie viele Quoten gibt es eigentlich, wenn jede Person sich das eigene Geschlecht aussuchen kann? Das ist eine Frage, die sehr gut aufzeigt warum staatlicher Feminismus immer wieder trans*-, nicht-binären, agender und inter*-feindlich wird. Wer Befreiung als den Kampf um Ressourcen und Machtpostionen in einer auf Konkurrenz und Hierarchien beruhenden Gesellschaft versteht, statt diese Konkurrenz und Hierarchien beseitigen zu wollen und wird um die Befreiung des eigenen Geschlechts, in dem Fall der (cis) Frauen, zu erlangen mit anderen Geschlechtern und ihren Anspruch auf ebenfalls Gleichberechtigung in Konkurrenz treten müssen. Anders gesagt würden (linke) Feminist*innen anstatt den Staat übernehmen zu wollen (und damit das Patriarchat), ihn zerstören wollen – dann würden sie trans*, inter*, agender und nicht-binäre Menschen als Kampfgefährt*innen sehen nicht als Konkurrent*innen. Und tatsächlich ist auch ein Erfahrungswert, dass wo anti-autoritärer Feminismus stark ist, trans*-, agender-, nich-binären- und inter*feindlicher Feminismus schwächer ist.
Doch die gewaltige Unterstützung und Toleranz gegen über trans*-, inter*,
agender und nicht-binären Feindlichkeit vieler Linker und ihres Feminismus kommt nicht nur aus dem oberflächlichen Wunsch der staatlichen Machtübernahme und Gleichberechtigung. Sie findet ihre Wurzeln wie in der linken Szene so oft auch in der allgemeinen Weigerung mit historischen Fehlern zu brechen. Heutzutage ist außer einigen kleinen Sekten klar, dass es keine „Revolution der Arbeiter*innenklasse“ mehr geben wird und „Arbeiter*innen“ nicht das „revolutionäre Subjekt sind“. (Cis) Frauen und manchmal FLINTAs dienen als Ersatz, der das nun tun soll. Hier wird wieder alles getan, um das eigene verkürzte marxistische Weltbild zu verteidigen (Im Anarchismus war der Glaube an bestimmte Identitäten, die Revolution bringen nie so zentral und heute gibt es ihn fast gar nicht mehr).
Hinzukommt die kolonialistisch-rassistische Fortschrittserzählung der Linken,
die aktuelle Gesellschaft als Fortschritt gegenüber vermeintlich „traditionellen“ Gesellschaft verklärt, obwohl viele „traditionelle Werte“ eigentlich aus „der Moderne“ kommen. Diese Fortschrittserzählung löscht aus, dass in vielen Gesellschaften vor der europäischen Kolonisation mehr als zwei Geschlechter einen Raum hatten, bzw. Geschlecht nicht als starre, biologische Kategorie wie in der heutigen kolonisierten Welt existiert hat. Diese Gesellschaft waren in der Regel auch weniger patriarchal als unsere jetzige Gesellschaft oder nicht-patriarchal/anti-patriarchal. Durch das Unsichtbar-und Schlecht-Machen dieser Gesellschaften wird die Existenz von trans*, agender– und nicht-binären Personen als ein neues Phänomen denormalisiert, statt sie als Teil der Menschheitsgeschichte zu sehen. Der Kampf gegen das Patriarchat muss daher auch ein Kampf gegen große Teile des Linken Feminismus sein!

24. Yes means no. – Lustfeindliche Sexualmoral

Sex kann etwas sehr befreiendes sein. In unser Gesellschaft hingegen wird Sex für viele Menschen bedrohlich gemacht. Das passiert in dem wir Sex gegenüber Scham anerzogen bekommen, uns Trauma zugefügt werden und wir durch andere Mechanismen von Sexualität entfremdet werden. Außerdem schafft unsere Gesellschaft strukturell körperliche und sexuelle Einsamkeit. Zusammenfassend ist unsere Sexualität und das Verhältnis zu ihr patriarchal, staatlich und kapitalistisch und kolonial geprägt.
Dies reflektiert die Linke nicht
und stellt den Versuch der Befreiung von Sexualität entgegen, sondern sie macht vor allem Angst vor Sex. Ein Klassiker dabei ist die Gleichsetzung von unangenehmen Erfahrungen oder unsensiblen Verhalten mit Übergriffen und Vergewaltigungen, oft alles unter „Grenzüberschreitungen“ zusammengefasst. In dem alles Unangenehme, das aber keine (absichtliche) Handlung gegen die Selbstbestimmung Anderer darstellt genauso schrecklich dargestellt wird wie Zwang, wird das Ziel ein perfekten immer angenehmen Sexualität formuliert. Diese Ziel ist totalitär, weil gelebte, wilde und lustvolle Sexualität auch immer etwas Unkontrolliertes enthält und damit die Gefahr der unabsichtlichen Verletzung, des Unangenehmen. Aber selbstverständlich auch Möglichkeiten von unerwarteten neuen positiven Erlebnissen.
Durch die Gleichsetzung des Risikos von Unangenehmen mit Übergriffen, werden außerdem Trauma verharmlost und damit eine ernste Auseinandersetzung mit ihnen verhindert.
Und auch Heilung erfordert Risiken einzugehen und Unangenehmes nicht um jeden Preis zu vermeiden. Auf ein anderen Ebene findet sich die linke Angst vor unkontrollierten Sex – beim Panik-Machen vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Vor fast allen sexuell übertragbaren Infektionen kann sich heute entweder per Impfung geschützt werden oder diese können mit rechtzeitiger Behandlung sehr sicher geheilt werden. Zentrale Ausnahme davon ist HIV. Hier gibt es keine Heilung nur eine peramente Therapie, die im Ergebniss einer Heilung ähnelt.
Aber anstatt über Impfungen und Testmöglichkeiten zu informieren, wird von vielen Feminist*innen lieber hauptsächlich die Strategie von meist unnötiger Vermeidung körperlichen Kontakts z.B. durch Handschuhe und Lecktücher verbreitet. Dabei kann Menschen sich mit sehr vielen auch beim Küssen anstecken.
Das
es in der linken Szene nicht um Fürsorglichkeit sondern schambesetzte Kontrolle geht, zeigt sich ebenfalls daran, dass in fast keinen linken Veranstaltungsort kostenlose Kondome ausliegen. Außerdem gibt es nahezu keine linken Veranstaltungen, wo menschen Sex haben können und ggf. anderen Menschen auf gegenseitige Zustimmung der Beteiligten achten, obwohl das oft um einiges sicherer wäre als Sexualität fast ausschließlich in der eigenen Wohnung stattfinden zu lassen. Dort passieren schließlich die meisten körperlichen Übergriffe.
So ist auch die Parole „Yes means yes“ leer, denn aufgrund der von Linken verstärkten Angst und Scham gibt es eben keine Kultur eines ehrliches, lustvollen Bekenntnisses zu einem Ja, sondern es wird noch schwieriger gemacht.

25. „Für die Arbeit! Gegen den Sex!“ – Sexarbeiter*innenfeindlichkeit

Bei der Sexarbeiter*innen hört die Solidarität mit der „Arbeiter*innenklasse“ durch Linke oft auf. Statt nämlich eine Analyse davon zu entwickeln wie Sexualität im Patriarchat funktioniert und dann zu dem Schluss zu kommen, dass alle Formen von Sexualität in unserer Gesellschaft in unterschiedlichen Ausmaß patriarchal kontrolliert oder geprägt sind, picken Linke sich oft einzelne Elemente von Sexualität z.B. Sexarbeit als „etwas besonders verwerfliches“ heraus. Mit rein spielt hier, dass der Marxismus als zentrale linke Ideologie vor allem eine ökonomische Analyse ist keine allgemeine Herrschaftsanalyse. Dadurch erscheint etwas was durch direkten kapitalistischen Tausch geschieht für viele Linke schlimmer als z.B. das patriarchale Verhältnis der staatlichen Ehe und allgemein von romantischen Zweibeziehungen in unserer Gesellschaft.
Aufgrund des linken Bündnisses mit dem Staat wird dann auch nicht aus einer Perspektive von Solidarität und Selbstorganisationen mit Unterdrückten gehandelt, sondern mit dem Mittel staatlicher Verbote. Hinzukommt noch, dass weil Linke Arbeit oft nicht ablehnen der Arbeitsteil und der Zwang Dienstleistungen zu verkaufen, um in der staatlich-kapitalistischen Gesellschaft zu überleben nicht als das eigentliche Problem gesehen werden. Bei linken Diskussionen zum Thema wird fast ausschließlich darüber gesprochen Sexarbeit und damit oft Sexarbeiter*innen sein, weil es ja um den Kauf von Sex geht besonders schlimm sei bzw. unterdrückt oder besonders freiheitlich bzw. anti-patriarchal, weil sie Sexualität außerhalb der klassischen Beziehungsrollen stattfinden lässt\lassem.
Beide Positionen sind zutiefst patriarchal. Die
Erste hat als Ergebnis die Forderung eines direkten oder indirekten Kaufverbots oder anderer Formen staatlicher Repression, die Letztere verklärt unsere Gesellschaft und damit das Patriarchat als freiheitlich. Letztere löscht auch häufig aus, dass es sehr wohl Gesellschaften ohne Arbeit und Eigentum gibt.
In beiden Positionen werden Sexarbeiten*innen zu fremden Andersartigen gemacht statt diese als Teil der Lohnabhängigen zu verstehen und wieder lässt sich dies auf den autoritären Charakter der linken Szene, die eben nicht ernsthaft Staat und Kapitalismus abschaffen will, zurückführen.

26. „Care-Arbeit muss bezahlt werden!“ – Vermarktlichung von Beziehungen

Wohin kämen wir, wenn wir den Preis jeder Umarmung, jedes freundschaftlichen Gesprächs und jeden liebevollen Blicks berechnen und bezahlen würden? Ja genau, in eine noch schrecklichere Gesellschaft als die Jetzige! Aber genau das streben große Teil der linken Szene an: Sie fordern schließlich, dass „Care-Arbeit“ (Fürsorge-Arbeit) bezahlt werden sollte.
Nun kommt vielleicht der Einwand es gehe nur um bestimmte Formen der Fürsorge-Arbeit, doch wer bestimmt welche Formen der Fürsorge bezahlt werden und we
lche nicht?! Nur weil ich keine*n Chef*in habe, der*die mich beauftragt ist meine Umarmung für eine Freund*in weniger wichtig als die eine*r Krankenpfleger*innen im Krankenhaus? Ein fürsorgliches Gespräch zwischen Menschen in einer WG ist weniger Wert als die Hausarbeit in einer heterosexuellen monogamen Zweierbeziehung? Entweder den staatlichen, kapitalistischen Markt auf die letzten Beziehungen auszudehnen, die er noch nicht vollständig kontrolliert, oder bestimmte Beziehungsmodelle und Handlungen über Andere zu stellen sind beides patriarchale Vorgehensweisen. Hier zeigt sich solange wir nicht Geld und Eigentum bekämpfen, werden wir das Patriarchat nicht überwinden.
Der gleichen Logik wie
jede Care-Arbeit zu bezahlen“ folgt auch die Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in anderer Form den „Gender-Pay-Gap“ schließen. Der gesellschaftliche Wert von Arbeit lässt sich jedoch (in Geld) schlichtweg nicht berechnen und jeder Versuch dies zu tun führt in ebenjene noch schrecklichere Gesellschaft. Zu diesem Schluss sind Anarchist*innen übrigens bereits Ende des 19. Jahrhundert gekommen, damals nannte sich das Anarchokommunismus, also Anarchismus der grundsätzlich Kommunismus – also eine geld- und eigentumslose Gesellschaft anstrebt. Inzwischen ist es für beinah alle Anarchist*innen selbstverständlich.

27. „Hinter Allem steht das Kapital“ – verkürzte Herrschaftsanalyse

Linke nennen die gesellschaftliche Ordnung, in der wir leben, gerne Kapitalismus. Selbstverständlich ist der kapitalistische Markt/Kapitalismus ein wichtiger Teil dieser Ordnung, allerdings sind Patriarchat, Staat und Kolonialismus(!) gleich bedeutsam. Die beiden Ersten sind außerdem wesentlich älter als der Kapitalismus und alle drei dessen notwendige Grundlage.
Woher kommt es also, dass die Linke Szene immer wieder vor allem vom Kapitalismus spricht?
Erstmal davon, dass einer ihrer wichtigsten Ursprünge der Marxismus und nicht Anarchismus ist. Marxismus konzentriert die eigene Machtanalyse oft auf das Ökonomische. Dies macht die Vielfalt der Herrschaft weniger sichtbar und verhindert eine generelle Analyse von Herrschaftsmechanismen.
Doch der Glaube der Kapitalismus sei der Hauptwiderspruch gegen ein Freies Leben hat viele weiteren Ursachen.
Es lassen sich Verbindungen zu anderen Schrecklichkeiten ziehen. Als aller Erstes den Glauben an und die Allianz mit dem Staat, sowie das Tabu ihn als Feind zu benennen. Wer den Kapitalismus voranstellt, kann den Staat unbenannt lassen. Genauso kann der Kolonialismus und somit die rassistische Grundlage unserer Lebensweise unbenannt bleiben. Das macht es leichter sich moralisch gut zu fühlen, Konflikte zu vermeiden und die eigene Verdrängung aufrechtzuerhalten, weil es in der Linken Szene nur sehr wenige Kapitalist*innen (Eigentümer*in eines Unternehmen oder Vermieter*in) gibt, Weiße hingegen sehr viele.
Wer die Verbindungen des Kapitalismus mit anderen Herrschaftsinstitutionen nich
t betrachtet, kann außerdem vermeiden eine wirklich grundsätzliche Analyse bzw. Ablehnung des Kapitalismus zu entwickeln. Antikapitalismus heißt dann eben nicht Enteignung/Soziale Revolution von unten, sondern ein sozialdemokratisches Fordern von staatlichen Maßnahmen bzw. Verstaatlichung, also entweder „soziale Marktwirtschaft“ oder Sowjetunion 2.0.

28. „Der böse Lobbyismus/das böse Großkapital“ – Glauben an gerechte Führer*innen und das reine Volk

Ein verschärfte Form der falschen Kapitalismus-Analyse findet sich in sehr zentralen linken Erzählungen: Wie oft schimpfen Linke über den bösen Lobbyismus, der Demokratie und Politik korrumpiert? Hier drin findet sich die Vorstellung wieder es gebe eine äußere Kraft, die eine ansonsten halbwegs positiv funktionierende gesellschaftliche Ordnung durch ihren schädlichen Einfluss untergräbt. Selbstverständlich entsteht damit direkt oder indirekt das Verlangen/die Forderung diesen schädlichen Einfluss zu beseitigen bzw. die Ordnung von ihm zu reinigen. Konkret heißt das die Demokratie, also den Staat und das Volk (in der Demokratie bildet der Staat ja den zentralen Körper über welchen der Wille des Volkes sich ausdrücken soll) von Einflüssen wahlweise des Lobbyismus, des „(ausländischen) Großkapitals“/des „Globalismus“/der „Globalisierung“, der Unternehmen oder einfach des „Kapitals“ zu befreien. Kapitalismus wird dabei nicht als mit dem Staat verbündet/verbunden angesehen, sondern ein Teil derjenigen, die real oder eingebildet an der Spitze der kapitalistischen Wirtschaft stehen, werden zu Schuldigen – zum Bösen erklärt.
Der Staat wird wie fast immer in den linken Ideologien als neutral und positiv gesehen und selbstverständlich auch das Volk. Dabei gibt es in diesem Weltbild auch nur ein einheitliches Volk des Willen verfälscht wird, nicht unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen, welche untereinander in Hierarchien zu einander stehen. Vielleicht ist auch schon aufgefallen, dass solch eine Weltsicht sehr anschlussfähig z.B. anti-semitische Vorstellungen ist…

29. Antisemitismus

Aus der Konfliktvermeidung der linken Szene heraus sind in Deutschland nie die anti-semitischen Anteile des Marxismus und allgemein des Glaubens an den Staat aufgearbeitet wurden. Der Staat und viele seiner Eliten waren zentraler Miterschaffer*innen des europäischen Antisemitismus, weil sie die aufgrund der Ausgrenzung und Unterdrückung entstandene besondere Stellung von Teilen der jüdischen Bevölkerung z.B. als Händler*innen, Bänker*innen oder Steuereintreiber*innen nutzten, um Missfallen über das eigene Handeln oder die gesellschaftliche Ordnung auf diese abzulenken. Dies ist einer der wichtigsten Ursprüngen des Antisemitismus, es ist aber ein Tabu darüber zusprechen, den es hieße den Staat als Gegner im Kampf gegen Antisemitismus zu sehen, nicht als Verbündeten.
Weil für die Linke der Staat als Institution nie gleichwertige Ursache von Unterdrückung und Gegner in Vergleich zum Kapitalismus war/ist bleibt sie immer offen genau für diese Art der Sündenbocksuche. Dass Antisemitismus aufgrund der mangelnden Reflektion über marxistische Geschichte und dem Verhältnis zum Staat in der deutschen Linken so präsent ist, führt dann immer wieder zu antisemitischen Angriffen und Allianzen mit antisemitischen Gruppen z.B. verübten Teile der linken, marxistischen Stadtguerilla (deren bekannteste Gruppe die RAF21 war), antisemitische Anschläge und Terror. Und über Jahrzehnte kommt es, wenn es um die Unterdrückung des palästinische Bevölkerung durch den israelischen Staat geht, regelmäßig zu teilweise freudiger Zusammenarbeit mit Gruppen, welche klar antisemitisch sind und an Israel nicht kritisieren, dass es ein Staat ist, sondern es verachten und vernichten wollen, weil es jüdisch ist/sei.
Teile der deutschen Linken sprechen solche Fantasien mit Sicherheit auch an, weil sie eben Deutsche sind und es nie eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus gab (das unter anderem hätte eine ernsthaften Analyse des Nationalsozialismus – einschließlich der Rolle des Staates bedurft – nicht einem. „der Extremismus ist Schuld“), sondern nur einer symbolhaften „Anerkennung des Problems“ durch den Staat. Der Antisemitismus in der deutschen Linken zeigt sich anhand des Israel-Palästina-Konfliktes auch noch auf eine andere Art. Die Phantasie von Israel als Schutzraum für alle jüdischen Menschen und das Abschieben der eigenen Verantwortung gegen Antisemitismus zu kämpfen auf einen entfernte Institution, welche abstrakt unterstützt wird. Eine wichtige Ursache ist hier wieder Verdrängung und Konfliktvermeidung – wer glaubt Antisemitismus sei ein fernes Problem, muss sich nicht mit Antisemitismus im eigenen Umfeld z.B. der eigenen Familie, Szene oder marxistischen Ideologie auseinandersetzen, oder sogar mit dem eigenem Staat.

21 RAF – Rote Armee Fraktion

30. Guter Staat, schlechter Staat – Nationalismus

Israel oder Palästina?“ – Wie viele Bewegungen sind von dieser Frage zerstört wurden und das alles nur weil die Linke ihre Politik darauf reduziert sich hinter den „besseren“ Nationalstaat, also den „besseren“ Unterdrücker zu stellen. Doch es werden nicht nur bestehenden Strukturen zerstört. Gerade der über 70 Jahre bestehende Israel-Palästina-Konflikt wäre ein super Beispiel, um daran zu erklären warum Nationalismus keine Lösung ist und allgemein die Gründe für eigene Ablehnung des Staates. Doch dem steht wieder die linke Verehrung des (National-)Staates entgegen. Woher kommt der linke Nationalismus?
Es gibt mehrere Ursachen, aber zentral ist der (oft unbewusste) Wunsch nach einfachen Lösungen für menschliches Leid und nach patriarchaler Stärke statt sich der Schwäche der eigenen Bewegung zu stellen und den Prozess zu beginnen Beziehungen aufzubauen, welche zu eigener Stärke jenseits von Staatlichkeit führen.
Hierfür ist das Begehen des 8. Mai ein gutes Beispiel, dem Tag der Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. An diesem Tag werden die Alliierten: USA, Frankreich, britisches Imperium und die Sowjetunion als Befreier*innen gefeiert. Es ist gut, dass Deutschland und damit das Naziregime den Krieg verloren hat, aber das macht andere Staaten nicht zu Befreier*innen. Die Morde und Unterdrückung von Abermillionen durch die demokratischen Kolonialmächte USA, Frankreich und dem britischen Weltreich, sowie die imperialistische Diktatur Sowjetunion, werden dadurch als notwendiges Übel verharmlost. Die Geschichte von bewaffneten Kämpfen der (anti-autoritären) Arbeiter*innenbewegung(en) gegen den Faschismus wird unsichtbar gemacht.
Das ist auch super nützlich, um die eigene Untätigkeit nicht in Frage stellen zu müssen, während der deutsche Staat Naziterror unterstützt und kolonial-rassistische Gewalt organisiert. Wenn Antifaschismus nur über den Staat möglich ist, dann kann dieser nicht grundsätzlich abgelehnt werden und sein Handeln wird rechtfertigbar, gerade weil er eine durch die „antifaschistischen“ Alliierten geschaffene Demokratie ist.
Diese Vermeidung von Konflikten findet sich ebenfalls im Verhältnis zum Israel-Palästina-Konflikt, statt über Antisemitismus und Rassismus hier zu reden, kann eine Ersatzdebatte über einen Konflikt geführt werden bei dem die Positionierung kaum Einfluss auf das eigene Leben hat. Sowohl Antisemitismus als auch Rassismus ernsthaft zu analysieren und nicht an ferne Orte zu verdrängen hieße eventuell nämlich eigenen Widerstand gegen diese organisieren zu müssen. Es hieße zum Beispiel eigene Struktur aufzubauen, die im Notfall in der Lage sind antisemitische Gewalt aufzuhalten und jüdische Communities zu verteidigen. Sowas wäre selbstverständlich ein klarer Bruch mit dem staatlichen Gewaltmonopol, stattdessen wird lieber behauptet Israel sei ein Schutzraum für alle jüdischen Menschen.Dass (National-)Staaten, aber an sich patriarchal, ausbeuterisch und unterdrückerisch sind (und moderne Staaten auch kapitalistisch und rassistisch), wird verdrängt. Ähnliches passiert selbstverständlich in Bezug auf Palästina, wenn die Befreiung der Menschen dort in Form eines Staates gedacht wird.
Ein weiteres gutes Beispiel für linken Nationalismus ist der russische Krieg gegen die Ukraine: Statt aufgrund z.B. der massiven Inflation in eine Auseinandersetzung mit dem deutschen Staat und Kapitalist*innen zu treten, sowie den anti-autoritären, anarchistischen Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen, wird entweder das Handeln des russischen Staates verharmlost und oft sogar Russland als „anti-imperialistisch“ verherrlicht oder sich, ohne zu zögern, auf Seiten des demokratischen Imperialismus und Kolonialismus Deutschlands, der EU/Nato und der USA gestellt.
Die Vorstellung es gebe überhaupt „anti-imperialistische“ Staaten, kann übrigens nur Entstehen, weil es den linken Glauben an gute und schlechte Staaten gibt. Anarchist*innen hingegen verstehen, dass ab einer gewissen Größe jeder Staat imperialistisch wird.
Der Linke Nationalismus führt also zu einer extremen Schwächung von Bewegungen und weltweiter Solidarität, weil er einfache Weg bietet Dampf abzulassen, wodurch dann dem Aufbau anti-autoritärer, anti-staatlicher und anti-nationaler Bewegungen die Energie genommen wird: No Nation, no border! Fight the left and it´s order!

31. Sich fördern lassen – Verstaatlichung von Bewegungsräumen

Dass der Staat so eine große Verankerung in der Linken Szene hat nicht nur ideologische und psychologische Ursachen, sondern auch materielle: Beinah jeder linke Raum in Deutschland wird heute mit vom Staat finanziert.
Im harmlosesten Fall passiert diese durch das Abgreifen von Geldern für einzelne Veranstaltungen. Dabei findet aber bereits eine Erziehung hin zur Staatstreu statt, schließlich wird eine Förderung um so unwahrscheinlicher bis hin zu unmöglich, je mehr bzw. wenn in einer Veranstaltung offenen der Staat als Feind benannt wird. Auch aus Sicherheitsgründen – für Förderungen müssen nicht ohne Grund Namen und Adressen angegeben werden – sind staatsfeindliche, also anti-autoritäre/anarchistische Veranstaltungen größtenteils von diesen Geldmittel ausgeschlossen.
In der Linken Szene sind (Förder-)Honorare und Vorträge oder Workshops nur für Geld zu machen, jedoch eine Selbstverständlichkeit, die unhinterfragt vorausgesetzt wird. Geldfreies Halten von Vorträgen oder Zusammenlegen aus dem eigenen Einkommen für Veranstaltungen sind unüblich. Letzteres war in den viel ärmeren anarchistischen, sozialistischen Bewegungen der Vergangenheit normal.
Hier zeigt sich wie sehr viele Linke in einer privatem Utopie leben und jede kleine finanzielle Unannehmlichkeit als fast unmöglich erachten. Spannend wie es dann eine Revolution geben soll, die beinhaltet noch viel mehr aufzugeben und zu riskieren als ein paar Euro. Auf jeden Fall wird Staatstreu immer weiter normalisiert und Ablehnung des Staates am Rand gehalten. Außerdem wird gerade eine anti-autoritäre Radikalisierung der Ärmsten verhindert, weil diese aufgrund der fehlenden Solidarität der Linke Szene noch mehr auf staatliche Gelder angewiesen sind und ihre Organisationen und Aktivist*innen so noch leichter korrumpiert werden können.
Wesentlich heftiger als die Förderung von Veranstaltungen durch den Staat ist die direkte Abhängigkeit von sozialen, autonomen, linken und „anarchistischen“ Zentren von staatlichen Mitteln. Viele Zentren sind als Jugendzentren oder Kulturzentren anerkannt und erhalten so Mittel vom Staat. Das ist nur möglich, weil sie weitreichende Kompromisse eingehen was ihre Gefährlichkeit für die herrschende Ordnung angeht oder nie den Anspruch hatten ihr gefährlich zu werden.
Intern spiegelt sich dies darin wieder, dass immer mehr Menschen angezogen werden, die nicht eine Ende dieser Gesellschaft anstreben und Zentren als halbinselförmigen Rückzugsraum zwischen den Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft, wo neue Kraft geschöpft werden kann, oder als Orte der Auseinandersetzung selbst sehen, sondern als Freiräume in denen die eigene kleine Wunschutopie verwirklicht werden soll. Weil das in unser Gesellschaft aber nicht vollständig möglich ist, wird dann nicht die Gesellschaft stärker angegangen (sonst ist die Finanzierung durch den Staat gefährdet), sondern die Vorstellung der Gesellschaft und eigenen Utopie an diese angepasst.
Ein kämpferische Bewegung, die nicht finanziell abhängig vom Staat ist hätte diese Probleme viel weniger, weil sie viel eher eine Grundkultur von „Wir müssen immer offensiv Widerstand leisten und uns Mittel selbst beschaffen.“ besäße.
Die staatlich Finanzierung/Anerkennung bzw. auch das Fehlen durch Besetzungen enteigneter Häuser hilft auch ungemein über Repressionsandrohung Mechanismen der Selbstkontrolle zu schaffen. Wenn ein Zentrum etwas Illegales tut, besteht bei offiziellen Strukturen immer die Möglichkeit, dass die offiziell Vorstehenden verantwortlich gemacht werden. Diese geben entsprechenden Druck dann häufig nach unten weiter. Konkret war das zum Beispiel einer der Weg wie staatlich verordnet Ausschlüsse während Corona in linken Räumen normalisiert wurden.
Abhängig zu sein von staatlichen Geldern heißt auch dem Staat Anerkennung zu geben und in seinem politischen Spiel mitmischen zu müssen, beispielsweise zu fordern weiter finanziert zu werden. Das passiert sehr oft nicht nicht der Form von „Wenn ihr uns kein Geld gebt kriegt ihr noch mehr Probleme“, sondern auf eine nette, den demokratischen Staat anerkennende Arte und Weise.
Vielleicht kommt der Gedanke auf: „So schlimm ist das Ganze doch nicht, dann gibt es halt ein paar Kompromisse mit dem Staat.“ Nein es ist viel schlimmer: Teile der linken Szene sind inzwischen so sehr vom Staat gekauft und haben das normalisiert, dass sie Staatswappen auf ihre Demoflyer drucken, nur damit sie gesponsert werden.
Von außen lässt sich dann linker Aktivismus und der Staat nicht mehr von einander unterscheiden. Ist möglicherweise aber auch gut so, denn vielleicht gibt es da gar keinen großen Unterschied…

32. Aktivismus – Kleine Politiker*innen spielen

Ich bin Aktivist*in.“ oder „in meiner Freizeit machen ich Aktivismus“, diese Sätze begegnen einer*einem in der Linken Szene immer wieder. Doch was genau ist Aktivismus eigentlich? Aktivist*innen sind eine Art Hobby- oder kleine Berufspolitiker*innen. Sie versuchen politische Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind aber beinah ausschließlich innerhalb dieser Gesellschaft gedacht, damit unterwerfen sich Aktivist*innen den grundsätzliche Spielregel des staatlichen, demokratischen Systems.
Aus oft guten Absichten werden Strategien entwickelt, die durch politische Forderungen umsetzbar sind. Ganzheitliche Probleme und Leben werden so zu einigen wenigen Punkten reduziert,
gleichzeitig entfremden sich Aktivist*innen vom ehrlichen Ausdruck der eigenen Ziele oder geben diese auf, weil alles in die Sprache der Politik gepackt werden muss. Außerdem trennt alleine die Idee von Aktivismus die Welt in aktive und passive Menschen: Bewegungen in heroischen Anführer*innen und jene, die „nur mal bei einer Demo mitlaufen“.
Auch die Beziehungen zu Anderen und selbst die Menschen direkt um eine*n herum werden immer mehr zum politischen Machtinstrument: „Lasst uns die Leute auf Demo fotografieren und zeigen wie viele wir sind!“. Nach ein paar Demofotos wird dann spätestens auch keine Einwilligung mehr erfragt, ob alle Menschen auf dem Foto sein wollen. Und einen Demo, auf der sich alle offen zeigen, ist entweder sehr dumm oder nicht besonders gefährlich gegenüber der bestehenden Ordnung, weil sie entweder freiwillig den Repressionsorganen die Arbeit abnehmen will oder es handelt sich um irrelevante symbolische Aktion, die keine Repression verursacht.
So zerstört auch Aktivismus langsam jede gefährliche Selbstorganisation, denn er normalisiert für alle (mit und ohne deren Zustimmung) keine Regeln zu
brechen und hilft so jede grundsätzliche Veränderung abzuwehren. Die Linksradikale Szene ist durch ihren Aktivismus inzwischen an dem Punkt ankommen, wo fast alles nur noch aus symbolischen Handlungen besteht. Dabei übernehmen die führenden Aktivist*innen oft die Rolle der Polizei indem sie kontrollieren, dass es befriedet und gesetzestreu bleibt oder von Anfang an bereits ein so unsichere – kontrollierte und überwachte Situation besteht, dass direkte Aktionen, wegen der Gefahr der staatlichen Verfolgung unmöglich sind.
Das Aufstellen von Forderungen spaltet Bewegungen außerdem von jenen Menschen ab, die besonders weit unten in den gesellschaftlichen Hierarchien stehen. Ihre Problem lassen sich nämlich nicht auf vermeintlich sinnvolle Forderungen reduzieren, anders als jene derjenigen, die in der Regel Aktivist*innen sind und sie haben auch weniger „Ressourcen“, um im Spiel der aktivistischen Politiker*innen erfolgreich zu sein. Solange die Arena der Politik und des Staates nicht verlassen wird, werden die immer gleichen Machtverhältnisse in Bewegungen fortbestehen.
Und wer wirklich eine andere Welt will kann, kann dieses Brennen nach Veränderung nicht einfach zu irgendeiner Zeit ablegen, aber Aktivismus funktioniert eben so, nicht ganzheitlich. Wie viele Mut, Empathie, Selbstkritik, Zorn
und Handlungsbereitschaft sind unter der Kaltherzigkeit der aktivistischen Politik erstickt worden?

33. „Organisierungsfeindlichkeit“ – Rückzug in den eigenen Freund*innenkreis

In dieser Gesellschaft sind wir tausendfach organisiert, ob wir es wollen oder nicht.
Wir leben in gewaltigen Organisationen, die sich Staat und kapitalistischer Markt nennen. In ihren Unterorganisationen wird unser Alltag im höchsten Ausmaß strukturiert und durchgeplant ohne dass wir viel dabei mitzuentscheiden haben. Aus diesem Grund ist es verständlich eine Abscheu gegenüber Organisierung zu empfinden und sich nicht formal organisieren zu wollen. Doch die linke Szene hat aus diesem verständlichen Gefühl ein absurdes Verständnis von Freiheit gemacht, welches nahezu alle Beziehungen ins Private verlagert und an Modellen dieser Gesellschaft orientiert.
Das ist keine aufständische Ablehnung von Organisationen, welche eine Revolte gegen diese immer weiter ausweiten will, die sich daher vor allem gegen Staat und Kapitalismus richtet. Vielmehr ist die linke „Organisierungsfeindlichkeit“ einfach der Rückzug ins Private und die staatlich-kapitalistische Form des Freund*innenkreises22. Also eines privilegierten, geschlossenen Kreises an Menschen, welche ihre Füße stillhalten und maximal symbolische Aktionen vornehmen, um sich selbst gut zu fühlen. Die Menschen darum sind durch unsichtbare Mauern ausgeschlossen und werden in ihrer Vereinzelung alleine gelassen. Eine linke Utopie in der nicht „gestört werden“ und sich nicht verändern müssen als Form der Freiheit gilt.
Um Macht dezentral zu verteilen braucht es Beziehungen, die Mauern zwischen uns niederreißen und deren Wurzeln weiter reichen als ein paar Meter, ob in informelle Form wie im aufständischen Anarchismus angestrebt, als offene Community oder formale Föderation. Mit der linken Szene wird es diese nicht geben, denn sie richtet ihre Politik auf den Staat aus und was außerdem stattfindet ist eine kleiner Zusatz. Sie braucht keine gesellschaftliche Alternative und damit keine andere Form der Organisierung.

22 Es gibt sehr verschiedene Ausprägungen von Freund*innenschaft.

34. „Wir sind mehr!“ – der Glaube an die Masse(norganisation)

Die andere Seite des linken Verhältnisses zu Organisationen ist der Glaube an die Masse, „die Arbeiter*innen“ oder „das Volk“, die in einer „Massenorganistion“, „Volksbefreiungsarmee“, „Partei“ oder „echten Demokratie“ organisiert werden soll. Das wirkt erst mal als Widerspruch zur vermeintlichen linken „Organisierungsfeindlichkeit“, ist es aber nicht, weil wir in diese Gesellschaft bereits als Masse und Volk organisiert sind, dass sind nämlich die zentralen Organisationsformen innerhalb des kapitalistischen Marktes und von (National-)Staatlichkeit. Die Linke setzt damit nur die Logik der bestehenden Gesellschaft fort.
Vereinzelung und Vereinsamung sind zentrale Mittel jeder Herrschaft insbesondere der von Staat und kapitalistischen Markt, ein Masse ist daher ganz einfach eine große Gruppe vereinzelter, entindividualisierter – vermasster Menschen deren Beziehungen von einer zentralisierten Machtstruktur kontrolliert und somit entmächtigt werden. Mit ihren Glauben an Massenbeziehungen und Organisationen setzt die Linke genau diese Vereinzelung und Entmächtigung fort.
Hier findet sich auch wieder eine Verbindung zum Aktivismus: Massenorganisationen funktionieren nur im Rahmen staatlicher Politik und bedürfen Aktivist*innen bzw. Politiker*innen, weil sie eben nicht dezentrale Beziehungen aufbauen, in denen Alle zum Aufbau anderer Gesellschaften beitragen und sich in verschiedene Richtungen weg von der jetzigen Ordnung bewegen, sondern einige Wenige die Richtung vorgeben. Diese Wenigen und damit die hinter ihnen stehenden Masse sind leicht kontrollierbar, z.B. in dem Aktivist*innen mit Posten in Staat und staatlich geförderten NGOs gekauft werden. Die Logik der Masse ist nicht befreiend.
Das zeigt sich auch einem der autoritärsten und ekelhaftestes linken Slogans: „Wir sind mehr!“. Wer die Anzahl der Menschen mit der gleichen Einstellung als Argument für die Richtigkeit seiner*ihrer Haltung nimmt, gibt damit die eigenen Inhalte völlig auf: Die Nazi waren auch mehr als der aktive Widerstand gegen sie, das hat sie nicht besser gemacht.

35. Anti-Anarchismus und Linke Einheit

Sind wir nicht alle links?“ – hinter diesem Wort versteckt sich vor allem eine Vorstellung. Dass die Ablehnung des Staates und seine Befürwortung/Nutzung vereinbar sein, also der Versuch zwei unvereinbare Positionen miteinander zu vereinen.
Die Ablehnung des Staates und seiner Nutzung ist dabei
genau das, was Anarchismus von der marxistischen, staatlichen Linken unterscheidet. Deshalb macht es auch keinen Sinn Anarchist*innen als links einzuordnen, es sei denn allen Linken, die den Staat nicht ablehnen, wird abgesprochen links zu sein.
In der Realität passiert es aber aus der Linken Szene heraus andauernd, dass Anarchist*innen als links eingeordnet werden. Oft tun dies auch viele Anarchist*innen selbst. Wobei nur ein Teil davon auch anarchistische Positionen vertritt und die anderen Sozialdemokrat*innen sind, die sich d
aran aufgeilen23 sich radikal zu fühlen indem sie sich Anarchist*innen nennen.
Warum nun ist die Einordnung
von Anarchismus als links so präsent in der Linken Szene?
Es ist eine Herrschafts- und Kontrolltechnik der Linken.
Indem der unüberwindbare Widerspruch zwischen anarchistischer Grundanalyse und der marxistischen, staatslinken unsichtbar gemacht wird, wird diese Analyse und deren Bedeutung, damit der Kern des Anarchismus ausgelöscht. Real verlaufen sich so viele Anarchist*innen in linken Projekten und Organisationen. Außerdem werden linke Inhalte in anarchistischen Räumen toleriert, was ebenfalls zum Verlust eigener Sichtweisen und Orientierung führt. Dies hat das Ergebnis, dass Anarchist*innen zum Fußvolk der Linken werden. Sie und ihre „Ressourcen“ werden missbraucht, um deren politischen Ziele zu erreichen. Gleichzeitig wird der Aufbau eigener anarchistischer, anti-autoritärer Bewegungen verhindert, weil die Energie nicht in direkte Aktion, Selbstorganisationen und eigene Theorie, sondern in pro-staatliche linke Projekte fließt. Die Vorstellung Anarchismus sei links und alle Linken wären Teil der gleichen Bewegung bzw. hätten vereinbare Ziel lässt sich unter dem Begriff Linke Einheit zusammenfassen. Sie dient auch dazu Anarchismus für die Linke ungefährlich zu machen, die Anarchistische Ablehnung des Staates macht ihn nämlich zu einer Bedrohung für die Linken und die Linke Szene deren zentrales Mittel staatliche Politik ist.
Seit Entstehen des Marxismus als
o seit über 150 Jahre ist daher Anti-Anarchismus zentrales vereinendes Element des staatlichen vermeintlichen „Sozialismus“ und später der Linken. Die einzige Ausnahme hiervor waren/sind die wenigen (anti-autoritären) Kommunist*innen24 jenseits der anarchistischen Bewegung und in neuerer Zeit indigenen Widerstandsbewegungen wie die Zaptistas oder manchen kurdischen Gruppen. Gerade aber (anti-autoritäre) Kommunist*innen wurden von den linken Verehrer*innen des Staat teilweise noch heftiger verfolgt als Anarchist*innen.
Heute beruht linke/linksradikale Szene weiterhin auf einem immens Anti-Anarchismus, denn Linke müssen anti-anarchistisch sein, wenn sie Illusion der positiven Veränderung durch den Staat aufrechterhalten wollen. Sie müssen Anarchist*innen, die ihre Handeln kritisieren, mundtot machen, sie aus Räumen verdrängen, wo Anarchist*innen dagegen Widerstand leisten, und sie sind verflucht dazu die Macht des Staates zu stärken, somit Anarchist*innen noch mehr Repression auszusetzen. Das Mund-Tot machen des Anarchismus beinhaltet die Auslöschung anarchistischer Geschichte und Theorie. Es ist kein wunder das Linke, die keine Anarchist*innen sind fast nie anarchistische Theorie lesen, während von Anarchist*innen verlangt wird erst mal marxistische Theoretiker*innen gelesen zu haben, bevor sie kritisiert werden dürfen. Genauso ist es notwendig bekannte Anarchist*innen bewusst und unbewusst vergessen zu machen, sonst liest noch wer deren Analysen und findet raus, dass Anarchismus lange keine kleine „Nischenströmung“ war, wie heute im deutschsprachigen Raum. Oder es käme sogar zu Sprache, was Marxist*innen alles anderen Sozialist*innen, Kommunist*innen und Anarchist*innen angetan haben. Dann ließe sich aber ganz schlecht einfach weiter so mit Hammer und Sichel rumackern…
Teil des Anti-Anarchismus ist ebenso die abgewandelte Strategie nur auf Anarchismus als ein Phänomen der Vergangenheit
Bezug zu nehmen, folglich werden vor allem uralte Texte gelesen, die kaum ein relevanten Verhältnis zu heutigen Ereignissen haben. Außerdem werden aktuelle Bewegungsnachrichten aus anderen Sprachräumen so gut wie vollständig ignoriert. Das verursacht dann den Anschein als sein anarchistische und anti-autoritären Bewegungen weltweit tot, obwohl beide gerade stark wieder wachsen.
Ein hervorsagendes Beispiel ist der George-Floyd
Aufstand 2020 in dem Gebiet das die USA beansprucht. Dies war einer der weltweit größten Aufstände der letzten Jahrzehnte mit einer klaren anti-autoritären Stoßrichtung. Nach Schätzungen waren dabei über Monate insgesamt 10-15 Millionen Menschen auf der Straße und es kam zu großflächigen, gewaltsamen Widerstand gegen die Polizei und andere Autoritäten in weit über 150 Städten.25 In Deutschland wird/wurde von Linken aber meistens nur von der Black Lives Matter – Bewegung, nicht von einem Aufstand gesprochen und wie schlimm autoritär die „amerikanische Gesellschaft“ sei.
Auf die Geschichte bezogen
gibt es den permanenten Linken Übergriff die UdSSR und damit die Inhaftierung, Folter, und Ermordung von tausenden Anarchist*innen und (anti-autoritären) Kommunist*innen, Sozialist*innen als positiv, notwendig oder kleinere Fehler darzustellen. Die Aussage dahinter ist, dass Anarchist*innen minderwertig sind und es ok ist uns zu ermorden und einzusperren. Verbunden ebenfalls mit der menschenfeindlichen Abwertung von Millionen anderer Opfer des Marxismus – der staatlichen Linken. Eigentlich sollte das eine Kriegserklärung sein…
Innerhalb der Lin
ken Szene beteiligen sich nicht wenig Anarchist*innen genau an diesen Prozessen. Das ist traurig, aber wer lange genug eingetrichtert bekommt die eigene Bewegung/Kultur und deren grundlegenden Ansichten sein minderwertig oder nicht beachtenswert verinnerlicht dies irgendwann. Zusätzlich verbreitet die Linke Szene nicht nur aktiv Lügen über Anarchismus, sie bestraft auch Anarchist*innen, die sich dagegen zu wehr setzen. Hier fehlt es an gemeinschaftlicher, solidarischer (inhaltlicher) Selbstverteidigung von Anarchist*innen und anderen Anti-Autoritären. Denn auch wenn es in ihr einzelne Komplize*innen gibt, ist die Linke Szene ist nicht anderes als eine Feindin aller Anti-Autoritären und Anarchist*innen, selbst wenn sie es (aus Selbstschutz) oft verdrängen. Es ist Zeit für einen absoluten Bruch mit ihr und zurückdrängen aus unseren Räumen und Kämpfen.

23 Nichts gegen aufgeilen, aber in Respekt zueinander und ohne Unterdrückung.
24 Kommunismus als Begriff wurde lange Zeit eigentlich auch als anti-staatlich verstanden bevor Marx und später Marxist*innen ihn sich aneigneten und der Zusammenhang mit der Ablehnung des Staates verschwand.
25 Auf deutsche Bevölkerungszahlen umgerechnet wären das 2-3 Millionen und ca. 30 Städte.

36. Ein Hoffnungsvolles Ende

Die anarchistischen Revolution 1936, in weiten Teilen des von Spanien beanspruchten Gebietes, ist ein Ereignisse, welches in der gemeinschaftlichen Erinnerung deutschsprachiger Linker um jeden Preis verdrängt werden muss. Das liegt zentral an seiner Kraft. Es sagt nämlich eines aus: Anarchist*innen können Revolution machen und weitreichender antifaschistischer Kampf bedarf keines Staates.
Die Revolution und auch das Handeln vieler Anarchist*innen während ihr sollten nicht verklärt werden, es gab sehr viele Fehler und Widersprüche. Aber wie jedes anderes Ereignis der anti-autoritäre Geschichte kann die Erinnerung uns helfen gegen die kulturelle Auslöschung durch Linke Widerstand zu leisten. Erinnern heißt kämpfen…
Brechen wir als Anarchist*innen und Anti-Autoritäre auf und lassen wir die Linke Szene hinter uns zurück. Mehr als das: Helfen wir jenen, die sie verlassen wollen mit uns zu fliehen. Und fliehen wir nicht nur, sondern beginnen wir aktiv uns gegen ihre Kontrolle zu verteidigen, uns Räume zurückzunehmen und ihren Untergang zu beschleunigen.