Breaking the Spell – Anarchistischer Aufbruch gegen die Linke Szene

Disclaimer: Wenn in den Texten von Breaking the Spell von linker Szene, Linken oder links gesprochen wird ist damit nicht jede einzelne Person und Gruppe in dieser Szene gemeint. Es geht vielmehr um die Gesamtheit der Dynamiken und Strukturen, die sich in der Regel gegenseitig verstärken und aus denen ein individueller Ausbruch fast unmöglich ist. Ebenso wenig sind mit linker Szene oder links alle Menschen mit, zumindest nach ihrer Definition, linken Einstellungen gemeint. Außerhalb der linke Szene gibt es viele Menschen mit Einstellungen, welche ein grundsätzliches Streben nach gleichwertigen Beziehungen als Hintergrund haben. Nach eigener Erfahrung finden diese sich oft gerade nicht in der linken Szene oder linken Parteien wieder und werden oft von diesen abgeschreckt.

Von den Kämpfen, die es nicht gibt

Eigentlich müsste anarchistische und anti-autoritäre Kämpfe im deutschsprachigen Raum gerade stark an Fahrt aufnehmen. Den weltweit passiert genau das, außerhalb von Waldbesetzungen geschieht hier aber genau das Gegenteil. Dies anzusprechen, überhaupt zu erwähnen ist ein Tabu – etwas wobei in vermeintlich anarchistischen Gruppen und Zentren entweder die Ohren verschlossen werden oder die immer gleichen Allgemeinplätze fallen.
Überhaupt an den Aufbau von Alternativen zu denken ist schon ein Tabu. Ernsthafte Selbstorganisation, die nicht entweder einen kleinen liberalen Safer Space für den eigenen Freund*innenkreis schafft oder ausschließlich (nicht mal mehr reformistische) Sozialhilfe leistet ist undenkbar. Zeitgleich wird dauernd vom „Schönen Leben für Alle“ und „Solidarität“ gesprochen – die gleichen Phrasen, die auch in der gesamten Linken Szene zu hören sind. Die Realität eines globalen Kollaps der bestehenden Ordnung wird vollständig verdrängt. Gleichzeitig regen sich alle über
Klimaleugner*innen auf, die nicht auf die Wissenschaft hören. Als ob ein Weiter-So nicht genauso die Realität der Klimakatastrophe ignoriert.
Das ist aber keine Grundproblem des Anarchismus oder auch antiautoritärer Kommunist*innen, denn an anderen Orten werden ernsthafte Kämpfe geführt und Leuten bauen Alternativen zum Überleben (vor allem in Form von
gegenseitiger Hilfe) auf.
In dem Gebiet, das die USA beanspruchen, gab es beispielweise 2020 den größten Aufstand gegen Cops und in Teilen auch den Staat&Kapitalismus und insbesondere Rassismus und Kolonialismus seit den 1960er Jahren. Gegenseitige
Hilfe und Aufbau von Strukturen, um besser mit den aktuellen Katastrophen umgehen zu können, ist dort in den letzten Jahren auch stark angewachsen.
In sehr vielen globalen Aufständen der letzten Jahren sind Anarchist*innen zunehmend
präsent. Aber im von Deutschland beanspruchten Gebiet bleibt es ruhig. Wenn es nicht an einer globalen Schwäche des Anarchismus liegt woran dann? Es sind mit Sicherheit verschiedene Faktoren, aber einer der größten begegnet mensch immer wieder: Die Allianz mit Linken oder besser Unterwerfung der anarchistischen Bewegung und anderer Antiautoritärer unter die linke Szene. Ich schreibe bewusst linke Szene, weil ich auch einzelne, linke Menschen mit Einstellungen kennen, die sehr offenen für anarchistische und anti-autoritäre Postionen sind, vieler offener als die übliche Antifa, (Queer-)Feministische oder Klimagruppe.
In den einsamen Nächten der Lockdowns
ist der Frieden, den Anarchist*innen mit der linken Szene geschlossen haben für mich unerträglich geworden. Lange hatte ich keinen Mut es so konkret zu formulieren, schließlich ist die linke Szene überall in meiner Nähe, kontrolliert fast jeden anarchistischen Raum, greift jede Gruppe und jeden Text an.
Doch wir sind an einem Zeitpunk angelangt an dem klar ist, dass die Linke Szene sicher nur ein Hindernis oder besser ein
Schrecken ist, der das künftige Leid noch vergrößern wird. Wer in einer Pandemie, wo wie in jeder Pandemie Aufklärung, kostenlose und niedrigschwellige medizinische Versorgung einschließlich Impfungen und davon ausgehend gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme sinnvolle Mittel sind, lieber Repression und staatliche Kontrolle fordert, wird in anderen Katastrophen noch heftigere Unterdrückung verlangen.
Deshalb ist die Zeit nicht mehr nur reif für den Bruch, sondern für den aktiven Widerstand gegen die Linke Szene, für
ihr Zurückdrängen aus sozialen Bewegungen, anarchistischen Räumen und Gruppen, allen antiautoritären Projekten. Dafür braucht es ehrliche Analysen der stillschweigenden Mechanismen der Kontrolle durch die Linke Szene und einen Tabubruch, der ihre Erzählungen – ihre Lügen angreift.
Wenn ich an anarchistischen
Aufbruch denke, habe ich Bilder von einem ganz bestimmen Ereignis im Kopf: 1999 als in Seattle beim Widerstand gegen die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) hunderte Anarchist*innen von der ganzen Schildenkröteninsel¹ zusammenkamen. Für viele Gefährt*innen war das Geschehen dort ein Symbol der Widererstarkens unserer Bewegung, die durch die massive Repression in den 1930er Jahren fast ausgelöscht wurde und dann über Jahrzehnte langsam wieder wuchs. Die Generation der Menschen, die in und um Seattle 1999 radikalisiert wurden war entscheidet für die Entwicklung meiner eigenen anarchistischen Perspektiven und dem Selbstverständnis als Anarchist*in und eben nicht als links.
Das anarchistische Kollektiv Crimethinc. hat zu Seattle die Doku Breaking the Spell veröffentlicht. Daher kommt der Name meines Projektes.
Breaking the Spell soll ein kleiner Beitrag sein mit der linken Szene endgültig zu brechen, gleichzeitig wird es auch allgemeine Analysen geben über die politische und gesellschaftliche Situation und was wir als Anarchist*innen und Antiautoritäre in ihrem Angesicht (vor allem in sozialen Bewegungen)
tun können. Als kleinen Starter gibt es eine Übersicht von 35 Schrecklichkeiten der Linken Szene, ihrer Ideologie und Mythen. Zu den meisten davon wird es später längere Texte geben. Danach geht es dann weiter mit der Frage was die linke Szene ist und wie sie die anarchistische(n) Bewegung(en) kontrollieren.

¹Schildkröteninsel ist ein besserer Name für den „nordamerikanischen Kontinent“, „Amerika“ ist nämlich von Namen eines Kolonisatoren abgeleitet. Der Name und das Bild der Schildkröteninseln – Turtle Island stammt hingegen aus geschichtlichen Erzählungen vieler indigener Gruppen dort.

 

Die Strafe und Rache wird kommen

In meinen Leben und auch durch die Erfahrungen einiger anderer Anarchist*innen habe ich oft erlebt, was passiert wenn mensch ernsthaft versucht Alternativen zu linken Szene aufzubauen oder sie zu kritisieren: Kontroll-, Strafe- und Racheaktionen. Ein Beispiel, das wahrscheinlich einige Anarchist*innen in den letzten Jahren erlebt haben, ist die Reaktion auf Ablehnung von 2G- und 3G-Kontrollen in selbstorganisierten Räumen. Ich selbst habe vehemente Kritik und Ablehnung gegen deren Durchsetzung in unserem lokalen „anarchistischen Zentrum“ geäußert, das führte zu einem teilweisen, es wurde anders ausgedruckt, aber um es klar zu sagen: Hausverbot gegen mich. Ein Person die gegenüber dem verwaltenden Kollektiv still blieb, aber die Gefahren von Corona leugnet, erfuhr diese Behandelung nicht. Was mir später mit klar machte worum es eigentlich ging: Ich hatte ein Tabu gebrochen indem ich grundsätzliche Werte und Anschauungen über den gemütliche Stille der Konfliktvermeidung stellte. Die Konfliktvermeidung hieß, wie sonst in der Szene auch, Unterordnung von Anarchismus unter die linken Bestimmer*innen des Projektes. Anarchismus ist für die Linken eine nettes Label, dessen Grundpositionen aber sofort aufgeben wird sobald es schwierig wird. z.b. Menschen eine Strafe droht, wenn mal Leute keinen Impfausweise dabei haben. Dann wir die autoritäre Politik des Staates ohne langes Zögern weitergegeben. Wer sich dagegen wehrt wird dann gemeinsam bestraft.
Ein immer wiederkehrendes Muster ist, dass Kritik oder Ablehnung in so einer Situation
ausschließlich auf den eigenen „Charakter“ reduziert werden. Klar in Konflikten spielen eigene problematische Verhaltensweisen oft eine Rolle, dies sollte aber nicht dazu ausgenutzt werden richtige Kritik zu ignorieren oder als falsch darzustellen. Inzwischen ist es jedoch das zentrale Mittel geworden mit dem Menschen und Gruppen aus der linken Szene Kritik abblocken. Das entspricht genau der (links)-liberalen, manche würden sagen neoliberalen, Erzählung, die in unserer Gesellschaft vorherrscht: „Du als Einzelne*r bist verantwortlich (Übersetzt: schuld), es gibt keine gemeinschaftliche Verantwortung sich gegen die Gesamtgesellschaft zu wehren.“ Also ich bin mir bewusst, dass zu Straf- und Racheaktionen aus der Linken Szene gegen das Projekte und Beteiligte kommen wird, habe auch etwas Angst. Ganz klar überwiegt aber ein anderes Gefühl: Ich spüre, dass durch Veränderungenn in denen wir uns befinden die Linke Szene irrelevant wird. Momentan besteht ihre einzige große verbleibende Auswirkung darin jede antiautoritäre/anarchistische Perspektive klein zuhalten und durch direkte Kontrolle das Bild in der Gesamtgesellschaft Linke sein immer auf Seiten des Staates bzw. einer staatliche Gesellschaft aufrechtzuerhalten. In dieser Rolle wird sich auch irrelevant werden, aber das kann dauern und währenddessen wird ein großer Schaden angerichtet in dem jede Alternativ verhindert wird und keine Gegenmacht zum Staat entsteht. Deshalb sollte ist es wichtig diesen Weg in die vollständige Irrelevanz zu beschleunigen – auf den Untergang der Szene hinzuwirken.
Für alle, die sich ernsthaft mit der Klimakatastrophe und der restlichen Zerstörungen der Mitwelt auseinadersetzen
ist klar unsere Gesellschaft und ihre Struktur wird extrem Veränderungen erfahren. Alle Ansätze, welche in Fortführung der letzten Jahrhunderte auf parlamentarische und staatliche Politik wie Forderungen stellen, setzen werden aufgrund des zunehmenden Ressourcenmangels auch der europäischen Staaten nur noch für eine immer kleiner werdene gesellschaftliche Gruppe funktionierten. Es wird noch mehr Ausgeschlossene geben. Und die Linke Szene deren Basis staatliche Politik und Forderungen-Stellen ist, wird diese immer offensichtlicher werdenden wachsenden Ausschlüsse rechtfertigen und verteidigen. Das heißt noch härtere Kämpfe gegen alle „internen“ und an die Szene angrenzenden Alternativen. Mit dieser Logik könnte nur gebrochen werden, wenn ein Großteil der Szene sich gegen den Staat und staatliche Politik stellen würde. Im deutschsprachigen Raum ist dies vollkommen unrealistisch. Darum gibt es, wenn wir es schaffen wollen antiautoritäre Bewegungen aufzubauen, keinen anderen Weg als die Szene so lange zu schwächen bis sie keine ernsthafte Kontrolle mehr ausüben kann, auch wenn das mit viel Repression durch diese verbunden sein wird.

 

Das Problem sind die Strömungen nicht die Wassertropfen

Um nicht die gleiche liberale linke Szene-Logik individueller Schuld fortzuführen, werden in den Texten von Breaking the Spell zwar Beispiele genannt werden, aber explizit keine einzelnen Gruppen oder Personen aus der linken Szene. Es kann allerdings sein, dass aufgrund der inhaltlichen Beschreibung Projekte identifizierbar sind. Das ist ist nicht als gezielte Kritik an dem Projekt oder beteiligten Einzelpersonen zu verstanden, sondern ergibt sich als Notwendigkeit der genauen Beschreibung und Analyse.
Ausnahmen wird es geben,
wenn es zu physischer Gewalt oder Repression unter Zuhilfenahme staatlicher Kräfte (einschließlich öffentlicher Outings) gegen anarchistische und anti-autoritärer Gefährt*innen durch Linke kommt (leider schon bei anderen Gefährt*innen erlebt). Wer meint mit Gewalt oder gewaltsamen Strukturen auf inhaltliche Kritik und Ablehnung reagieren zu müssen ist eine direkte Bedrohung und wird auch so benannt.
Ein weitere Ausnahme ist Politik außerhalb der Linken Szene, wenn es um Parteien oder Politiker*innen geht, die öffentlich eh so bekannt sind, dass ihre Nennung keinen Unterschied macht. Anders sind konkrete politische Ereignisse auch schwer zu beschreiben. Selbstverständlich gilt aber auch hier: Das Problem sind Parteien, Politiker*innen – Staatlichkeit und Politik an sich.

 

Kontakt

Breaking the Spell ist grundsätzlich offenen für die Beteiligung neuer Menschen, allerdings setzt eine Zusammenarbeit mit und insbesondere Aufnahme in das Projekt (weil alle gleich viel Macht im Entscheidungsprozess haben sollen) ein längere Vertrauensbildung einschließlich nachvollziehbar inhaltlicher Distanz zur linken Szene voraus. Das soll Angriffe, Unterwanderung und Übernahme durch genau diese verhindern. Außerdem sollten Menschen möglichst schon ein gewisses Grundwissen in (aktueller) anarchistischer/anti-autoritärer Theorie und Bewegungserfahrung mitbringen, auch wenn das Projekt selbstverständlich ein gemeinsamer Lernprozess sein soll. Wer grundsätzlich Interesse hat kann sich gerne per Mail melden: breaking-the-spell@riseup.net. Bitte achtet dabei auf Sicherheit, also benutzt eine anonyme Adresse über Tor und verschlüsselt die Mails. Einen PGP-Schlüssel dazu erhaltet ihr auf Anfrage. Weitere einfachere Möglichkeiten der verschlüsselten Kontaktaufnahme sind in Arbeit.

Anhang: 35 Schrecklichkeiten der Linken Szene

Als inhaltlichen Start des Projektes gibt es einen etwas längeren Text mit 35 Schrecklichkeiten der Linken Szene. Zu vielen wird es später auch noch eigene Text geben: 35 Schrecklichkeiten der Linken Szene